Offene Kanäle, taube Ohren

Nichtdeutsche Sendungen auf den Offenen Kanälen werden seit dem Ausbruch des Krieges besonders streng beäugt

Für die Offenen Kanäle stimmt die vielstrapazierte Phase vom „alles wird anders nach dem 11. September“ zumindest teilweise. Was die Ausstrahlung nichtdeutscher Sendungen anbelangt, hat sich in den letzten Wochen einiges verändert.

In der veränderten weltpolitischen Lage gerieten die „Bürgerkanäle“ schnell ins Visier von Sicherheitsexperten. Schließlich gehören sie zu den wenigen Medien, in denen auch Nichtdeutsche in ihrer eigenen Sprache für ihre Landsleute produzieren und senden können. Lange Zeit hat sich kaum jemand darum gekümmert. Doch nach den Anschlägen wird auch hierzulande oft in jedem arabischen Schriftzeichen, jeder arabisch klingenden Silbe eine geheime Terrorbotschaft vermutet. Manchmal reicht auch der arabisch klingende Name eines Moderators.

Das bekam der in Offenbach lebende Computerkaufmann Saeed Habibzadeh zu spüren. Ihm wurde vom Direktor der hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk (LPR) am 8. Oktober die Sendeerlaubnis für einen Beitrag mit dem Titel „Große Kriege – Kleine Kriege“ entzogen. Dabei wollte der 38-jährige Rundfunkamateur nicht etwa über die Auseinandersetzung USA gegen Afghanistan berichten. Die Sendung sollte sich vielmehr um zwischenmenschliche Konflikte und Auseinandersetzungen in Familien und zwischen Freunden drehen.

Der Vorsitzende des medienpolitischen Ausschusses der CDU, Hermann Schoppe, brachte allerdings die politische Dimension in die Angelegenheit. Habibzadeh habe in einer Sendung am 17. September den US-Präsidenten Bush mit Stalin und Hitler verglichen, monierte der Parlamentarier in einer Sitzung der Landesanstalt. Das bestreitet Habibzadeh. Er habe lediglich zum Nachdenken anregen wollen und habe daher kritisch angemerkt, dass die gesamte militärische Macht jetzt in der Hand des US-amerikanischen Präsidenten liegt.

Doch solche Eingriffe wie bei Habibzadeh sind im Offenen Kanal auch nach dem 11. September eher die Ausnahme geblieben. Die Maßnahmen waren meist subtiler. So müssen jetzt Nutzer der Offenen Kanäle in Hessen vor der Ausstrahlung bei der LPR eine Inhaltsangabe einreichen. Die Beauftragte für Offene Kanäle in Hessen, Angelika Jaenicke, kann darin allerdings keine Zensur erkennen. Manche Betroffenen sehen das allerdings anders. So sprechen in Hessen lebende iranische Oppositionelle, die seit Jahren einmal wöchentlich die Sendung „Simaye Asadi“ (Das Bildnis der Freiheit) ausstrahlen, von „einer Art Kontrolle“ und von einen Generalverdacht, dem sie als Muslime nach den Anschlägen in den USA ausgesetzt seien.

Auch die für den Offenen Kanal Berlin verantwortliche Freie Sendeanstalt Berlin hat nach dem 11. September einschränkende Regelungen für islamische Sendungen erlassen. So seien Live-Sendungen nicht mehr möglich. Sendungen in ausländischer Sprache müssen vor der Sendung in deutscher Übersetzung eingereicht werden. Eine Praxis, die bei den Offenen Kanälen Schleswig-Holsteins schon seit Jahren üblich ist.

Nach dem 11. September wurde die Stichprobenfrequenz erhöht. Doch Beanstandungen der überprüften Sendungen gab es keine. „Es wurden teilweise politische Aussagen getroffen, die ich nicht teile. Doch strafbare Inhalte waren keine darunter“, betonte Peter Willes gegenüber der taz. Der Beauftragte für die Offenen Kanäle in Schleswig-Holstein sagte allerdings eindeutig: „Bei uns gilt weiterhin das Grundgesetz. Eine Zensur findet auch nach dem 11. September nicht statt“. PETER NOWAK