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Stimmung gegen Arme

■ CDU will Sozialhilfeempfänger für drei Mark die Stunde arbeiten lassen

Hamburgs neuer Wirtschaftssenator Gunnar Uldall, der künftig auch für die Arbeitspolitik zuständig sein soll, ließ am Wochenende bereits seine Muskeln spielen. Langzeitarbeitslose, die Sozialhilfe bekommen, so verkündete er in einem Interview mit dem Abendblatt, sollten für „gemeinnützige Arbeiten“ herangezogen werden. Als Entlohnung stünden ihnen nach Paragraph 19 des Bundessozialhilfegesetzes 3 Mark pro Stunde zu.

Dass die CDU dies einführt, war zu erwarten. Einmal im Jahr hatte sie von der Oppositionsbank aus gefordert, in dieser Frage dem Vorbild anderer Gemeinden zu folgen. Das SPD-regierte Hamburg hingegen hatte - zumindest bei ihren Beschäftigungsprojekten - an dem Konzept „Tariflohn statt Sozialhilfe“ festgehalten.

Für ver.di-Chef Wolfgang Rose der auch fiskalisch sinnvollere Weg: „Wenn Leute einen ordentlichen Arbeitsvertrag und Tarif bekommen, haben sie anschließend Anspruch auf Arbeitslosengeld vom Bund“, so Rose zur taz. Menschen, die zu „gemeinnützigen Arbeiten“ herangezogen werden, hätten hingegen keinen Vertrag und blieben in der Sozialhilfe.

„Diese Form der Arbeit ist keine wirkliche Hilfe für die Menschen, sondern eher eine Beschämung“, kritisiert auch Wolfgang Völker vom Diakonischen Werk. Zudem führe dies erfahrungsgemäß zum Abbau regulärer Arbeitsplätze.

„Mit solchen Vorschlägen wird Stimmung gegen Leute gemacht, die sowieso arm dran sind“, mahnt die Wilhelmsburger Sozialberaterin Christel Evert. Es werde aber übersehen, dass es schlicht zu wenig Jobs gebe. Renate Schumak von der „Solidarischen psychosozialen Hilfe“ sieht in dem Modell gar „den Zwang zur nicht bezahlten Arbeit“. Denn 3 Mark seien keine adäquate Bezahlung. Ihre Erfahrung sei, so die Psychologin, „dass jede Art von Druck kontraproduktiv ist und verhindert, dass die Menschen Eigeninitiative entwickeln“. Schumak spricht aus Erfahrung. Denn schon die vergangene Legislaturperiode war für Sozialhilfeempfänger kein Zuckerschlecken. Das Ziel von Rot-Grün, die Zahl der Hilfeempfänger von 137.000 auf 117.000 zu senken, wurde nur erreicht, weil vielen Antragstellern mit dem Argument, sie könnten jederzeit Arbeit finden, die Sozialhilfe verwehrt wurde. Kaija Kutter

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