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Die Nullen hinter den Billionen

■ Grundsätze der SPD in der Diskussion: Die Bremer Genossen debattieren über den Armutsbericht und forden Konsequenzen

Den Genossen ging es um das „S“ im Parteikürzel: Wie wichtig sind der SPD heute noch die sozia Schwachen? Oder anders gefragt: Ist die Bekämpfung der Armut im 21. Jahrhundert überhaupt noch ein Ziel für die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften? In Bremen?

Im Prinzip ja, fanden die Genossen in Bremen, die Montagabend über „politische Konsequenzen“ nach dem Armutsbericht der Bundesregierung diskutierten. Aber außer „viel Sorgen und einer ärgerlichen Debatte um Faulenzer“ hat der Sozialreport vom April dieses Jahres bislang wenig bewirkt, stellten die Bremer klar.

Enttäuschend eigentlich für die Sozialdemokratie. Denn die Zahlen über die sozialen Probleme nach 16 Jahren Kohl seien im Grunde ein „gesellschaftspolitischer Skandal“, so der SPD-Landesvorsitzende Detlev Albers. Schließlich hat sich die Zahl der Sozialhilfe-EmpfängerInnen in den letzten 30 Jahren im Westen fast vervierfacht und in den neuen Ländern seit 1991 immerhin verdoppelt. Nun müssten politische Taten folgen, fordert Albers: „Die SPD als Regierunspartei Nummer eins in der Bundesrepublik muss dringend Gegenkonzepte entwickeln“.

Aber wie? Für Bremen beispielsweise gibt es nicht mal konkretes Zahlenmaterial. Noch im Mai ist die Bremer SPD-Fraktion mit der Forderung nach einem extra Armutsbericht für das kleinste Bundesland im Senat gescheitert. Denn der CDU in der Koalition klang das zu sehr nach einem Rückfall in den „Klassenkampf pur“.

Dabei wäre ein Armutsbericht auf Länderebene die „stärkste Waffe in der Hand, um endlich Handlungsdruck zu erzeugen“, hieß es. In Bremen mussten sich die Sozialdemokraten jedoch mit einer „Großen Anfrage“ in der Bürgerschaft und dürftigen Antworten zufrieden geben. Denn genauere Zahlen vor allem über die Geldverteilung und die Reichen waren schwer zu erheben.

Die Verbände in Bremen immerhin waren schon froh, dass sich die SPD mit einer solchen Diskussion dem Thema Armut wenigstens theoretisch wieder annimmt. Denn bei der Haushaltslage im Land sei nicht viel zu erwarten, so zum Beispiel Thomas Beninde, Fachreferent für Armut und Sozialhilfe beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. Gerade erst wurden in Bremen – und das zum zweiten Mal in anderthalb Jahren – wieder die Kleidungspauschalen gekürzt. „Eine Kehrtwende bei der SPD zumindest in der großen Koalition ist nicht zu erwarten.“ Schön wären aber regelmäßige Diskussionsrunden. Und dass beim nächsten Mal auch Wirtschafts und Finanzsenator dabeisitzen.

Trotz Armutsbericht der Bundesregierung ist aber auch im Bund nicht viel passiert, gesteht Andrea Nahles, frühere Juso-Sprecherin und inzwischen Mitglied der Arbeitsgruppe „Armut“ der SPD-Bundestagsfraktion: Einen klaren „Handlungsauftrag“ für die Regierung hätte der Report jedenfalls noch nicht bewirkt. „Wir kneifen da.“ Zum Beispiel auch bei der Erhöhung der Sozialhilfe, die seit Jahren gefordert wird, ohne dass sich etwas geändert hat. Und wo Nahles schon mal in Bremen war, schob sie die Initiative prompt an die Länder zurück: Die Ministerpräsidenten sind es, die mehr Druck machen müssten. Doch auch das war in Bremen bislang kaum Thema.

Dabei geht es den Sozialdemokraten nicht um Armut allein. Wenn es um Verteilungsgerechtigkeit geht, müsse auch die andere Seite der Gesellschaft unter die Lupe genommen werden, fordert der Vorsitzende Detlev Albers: die Reichen. Denn was die Bundesdeutschen an Privatvermögen zusammengescheffelt haben, ist unglaublich viel: Allein in den letzten fünf Jahren ist das Privatkapital um ein Viertel gestiegen: auf 8,2 Billionen Mark. Billionen – da kamen manche Genossen schon ins Grübeln, wie viele Nullen das denn überhaupt sind. „Wenn man soziale Gerechtigkeit noch will, dann muss man auch über dieses Geld sprechen“, verlangt nicht nur Berndt Korten, der Sprecher der „Kirchlichen Dienste in der Arbeitswelt“.

Mit der Neuordnung des Sozialsystems („fördern und fordern“) will Sozialsenatorin Hilde Adolf (SPD) die Zahl der Sozialhilfe-Empfänger noch weiter runterschrauben. Früher kamen in Bremen auf 1.000 Einwohner hundert Sozialhilfe-Empfänger. Inzwischen liegt man bei 93. Fall-Manager sollen sich jetzt noch intensiver um Arbeitsbeschaffung und Qualifizierung kümmern.

Inwieweit solche individuellen Maßnahmen ausreichen werden, blieb in der Diskussion offen. Nur eins dürfe man nicht vergessen, appelliert Korten am Schluss: Es müsse politischer Wille bleiben, die Würde des Menschen nicht zu verletzen – durch Verarmung.

Dorothee Krumpipe

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