: Aus der Tiefe des Raums
Versuch über die Jukebox: Die Regensburger Band beigeGT tritt im Bastard auf
„Jukebox Hero“ war dereinst ein Song der unsäglichen Stadion-Rockband Foreigner, der seinen besten Moment erst einige Jahre später hatte, als er von Soul Asylum gecovert und zu einem dampfenden Stück grandiosen Schweinerocks hoch geprügelt wurde. „Jukebox Heroes“ haben beigeGT ihr erstes, gerade erschienenes Album genannt. Schon vorher spielten die Regensburger „Knights of the Jaguar“ von Underground Resistance nach und avancierten damit zur Single der Woche im allmächtigen britischen NME: aus der Tiefe des Raums zwischen Fränkischem Jura und Bayerischem Wald ohne Umwege direkt nach London. Was für eine Karriere!
Ein vom Kölner Magazin Spex anlässlich seines 20. Geburtstages zusammen mit der Plattenfirma L’age D’or ausgelobter und von beigeGT gewonnener Talentwettbewerb war da nur Zwischenstation. Wie es scheint, hat man in der deutschen Provinz nach der Unsterblichkeit des Rock nun auch die Unschuld des Pop entdeckt. Während in den Metropolen fleißig an Abgrenzungen und Definitionen gewerkelt wird, tun beigeGT nun wie die Würzburger Miles einfach so, als könnte man sich hemmungslos alles einverleiben, was eingängig genug ist, und fabrizieren daraus mal einfach so letztgültige Hits.
So ganz aus dem Nichts aber kommen beigeGT nicht. Hannes Teichmann und sein Bruder Andi haben sich bereits zuvor unter den Pseudonymen ha.te und Andi Orange einen Namen gemacht als Produzenten von minimalsten Techno-Frickeleien. Hier bedienen sie Schlagzeug und den guten alten Moog-Synthesizer. Der Rest der Band war zuvor in Punk und Gitarrenpop aktiv.
Auf „Jukebox Heroes“ erklingt diese Vergangenheiten und noch viel mehr: elegischer Britpop, metallische Gitarrenriffs, lärmender Indie-Rock, ein paar fiese Töne aus den Achtzigern und reichlich kranke Elektronik und dämliche Songtitel und und und. „Schrammelpop im 21. Jahrhundert“ hat ganz begeistert die eigene Plattenfirma entdeckt – wer auch den noch braucht, ist mit beigeGT bedienter als bedient. Mit Spanisch, Französisch, Deutsch und Englisch sind zudem sämtliche verfügbaren Popsprachen im Angebot. So löst die Platte also wahrhaftig das Versprechen ihres Titels ein.
Das alles stinkt schwer nach Konzept, aber hört sich zum Glück ganz und gar nicht so an. So viel Kopflastigkeit könnte zwar weh tun, aber die Songs sind einfach zu gut, als dass man böse werden möchte. „Wir können nichts ernst nehmen“, sagen beigeGT. Zum Glück schwingt diese Distanz zum eigenen Schaffen jederzeit mit, ob sie nun einen flotten Ohrwurm loswerden oder ein paar Minuten ihre Gitarren ziellos wabern lassen. Niemals aber – und das ist wohl das Entscheidende – verkommen ihre Bemühungen dabei zu Zynismus oder reiner Pose. In Regensburg nimmt man die Helden, die in der Jukebox rotieren, gerade noch ernst genug, um seinen Spaß mit ihnen zu haben. THOMAS WINKLER
Beige GT, heute, 21 Uhr, Bastard, Kastanienallee 5–7, Prenzlauer Berg
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