Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Es geht um das Verhältnis von Geld und Macht, um das Image ehrgeiziger Menschen in der Öffentlichkeit und um die Verwicklungen, die derlei Dinge auch im privaten Bereich mit sich bringen. Das klingt nach einer aktuellen Politposse – doch tatsächlich finden sich diese Zutaten bereits in einem hundert Jahre alten Theaterstück von Oscar Wilde: „An Ideal Husband“, 1999 von Oliver Parker in England verfilmt, erzählt die Geschichte des aufstrebenden Politikers Sir Robert Chiltern, einem scheinbar untadeligen und von seiner Gattin bedingungslos angehimmelten Ehrenmann, der leider eine „Leiche“ im Keller hat. Denn einst verscherbelte er ein Regierungsgeheimnis – und dummerweise gibt es von der Transaktion ein Schriftstück, mit dem er nun erpresst wird. Was wiederum dazu führt, dass auch der Haussegen schief hängt. Tatsächlich ging es Wilde in seiner geistreichen Salonkomödie kaum um die Niederungen aktueller Politik, sondern um sein eigentliches Lieblingsthema: die Doppelmoral der viktorianischen Gesellschaft. Und so kann es für das Ehepaar Chiltern auch erst dann ein Happyend geben, nachdem jeder der Partner von seinem hohen Sockel heruntergestürzt, ein wenig blamiert und kompromittiert wurde. Mit der Figur des Familienfreundes Lord Goring schuf sich Wilde das perfekte Alter Ego: einen zynischen Dandy, der in seinen Versuchen, sämtliche Intrigen zu durchkreuzen, zunächst noch mehr Verwirrung stiftet und sich zum guten Schluss als die moralischste Person von allen erweist. In Parkers Film darf Rupert Everett als Lord Goring die messerscharfen Aphorismen des Dichters eindrucksvoll zum Besten geben: über die gute Gesellschaft, in der man sich allenfalls befindet, wenn man allein ist, und dass sich selbst zu lieben den Beginn einer lebenslangen Romanze bedeutet. Die Statik eines Bühnenstücks hat Regisseur Oliver Parker in seiner Inszenierung konsequent zu meiden gesucht: Die Kamera von David Johnson befindet sich unentwegt in Bewegung; am schönsten vielleicht, wenn sie auf einem Gesellschaftsempfang die verschiedenen Protagonisten begleitet, die sich wie Raubtiere umkreisen und sich gegenseitig abzuschätzen versuchen.

„Ein perfekter Ehemann“, 11. 11. in der Urania

* * *

Holla, der Berg ruft noch immer. 1991 revitalisierte Werner Herzog mit „Schrei aus Stein“ das gute alte Bergfilmgenre und inszenierte nach einer Idee von Reinhold Messner das Duell zweier Kletterkünstler um die – vermeintliche – Erstbesteigung des Cerro Torre in Patagonien. Das erinnert natürlich an Luis Trenkers Filmdrama um die Erstbesteigung des Matterhorns Mitte des 19. Jahrhunderts – und tatsächlich erleben wir hier die Verpflanzung eines Klassikers in die Neuzeit. Manche Dinge haben sich überhaupt nicht verändert: die Egoismen und Machismen der Bergsteiger, die kleinen und großen Dramen um verratene Freundschaften und wechselnde Loyalitäten sowie die Herausforderung durch die Natur. Doch während man einst zum Ruhme der Nation (oder etwas pragmatischer: zum Wohle des Tourismusaufkommens in der Heimatregion) kletterte, dreht sich – zumindest für einen der beiden Kontrahenten – nun alles um die Vermarktung der eigenen Leistung: Da ist es dann wichtig, unentwegt von Journalisten begleitet zu werden, Millionendeals mit Multimediakonzernen abzuschließen und den Aufstieg möglichst vor laufenden Fernsehkameras zu bewerkstelligen. Und so sind die Bilder von der Gipfelerstürmung dann zwar spektakulär, lassen jedoch konsequenterweise die Mystik der alten Bergfilme vermissen: Der Berg ist entzaubert.

„Schrei aus Stein“, 12. 11.–13. 11. im Filmmuseum Potsdam

* * *

Abenteuerlich geht es auch in der Astrid-Lindgren-Verfilmung „Ferien auf Saltkrokan: Die Seeräuber“ (1966) von Olle Hellbom zu. Weil die Ferien ein wenig langweilig zu werden drohen, ziehen die Erwachsenen mit den Kids Pelle, Tjorven, Stina und Srkållan in eine abgelegene Bucht der Schäreninsel, um Piraten zu spielen und sich um einen fiktiven Diamanten zu streiten. Und manche Dinge ändern sich glücklicherweise nie: Die kindgerechten Albereien kommen wie immer ohne große dramatische Höhepunkte aus und besitzen einen vollkommen unverwüstlichen Charme.

„Ferien auf Saltkrokan: Die Seeräuber“, 8. 11.–11. 11. im Regenbogenkino

LARS PENNING