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Schnurrende Pelzdamen

Zwei Seelen wohnen, ach, in meinen Katzen. Eine Streichelgeschichte mit Soße

Es sind zwei sehr unterschiedliche, ältere Damen, mit denen ich zusammenlebe. Die eine scheu und bibliophil, die andere zutraulich und bibliophob. Wie das eine mit dem anderen zusammenhängt, sollen bitte Küchenpsychologen klären. Ich jedenfalls muss mit den Folgen leben.

Verhuscht wie sie ist, lässt sich Winkel, das grau gestreifte Tigerchen, ungern von mir berühren – jedenfalls nicht tagsüber und nicht, wenn ich sitze, stehe oder liege. Also nie. Das heißt, fast nie. Denn sobald ich ein Buch in die Hand nehme, streicht die Katz um mich herum, legt sich neben mich, beginnt gefällig zu schnurren und lässt sich ohne Widerwillen durchstreicheln, dass es nur so eine Art hat. Buch gleich der Riese kann mir jetzt nichts mehr tun, denkt sich das zutiefst humane Tier. Dann lese ich ihm zur Belohnung gern eine Abenteuergeschichte vor, die sie mit leisen „Mäck“-Geräuschen goutiert. Denn als Katzenkind ist sie auf der Straße groß geworden und weiß, wie es in der weiten Welt zugeht. Winkel frisst auch heute noch mit einer ratzfatzen Geschwindigkeit, als ob ich ihr das Futter, das eben erst aufgetafelt wurde, gleich wieder wegschaufeln würde.

Mit leichtem Schritt tänzelt hingegen Milkling auf mich zu. Die schwarzweiße, inzwischen sehr mollige Katzendame lässt keine Minute aus, Nähe zu suchen. Sie ist mutig und stark und ohne Arg, wenn sie Schränke und Regale besteigt, um zu zeigen: He, ich bin nun größer als du, und ich kann sogar meinen Kopf zu dir herunterbeugen. Ein rundum nettes Tier, wäre da nicht ein kleiner Makel: Milkling mag keine Bücher. Nie gab es eine Katze, die mehr Literatur zerrupft hat. Wenigstens pinkelt sie die Bände nicht an. Dafür ist sie zu höflich.

Da Milkling eine reine Wohnungskatz ist und nie im Freien war, fällt es ihr jedoch nicht leicht, sich angemessen zu entschuldigen, wenn sie wieder einmal ausgeschimpft wurde. Ihr Jagdinstinkt ist ein wenig verkümmert, und die Beute, die das freundliche Pelztier mit mir teilen möchte, nimmt mitunter seltsame Formen an. Nach den ersten morgendlichen Schritten tapse ich manchmal in eine matschige Masse. Zufrieden betrachtet dann die Katz ihr Werk. Sie hat eine Birne aus der Obstschale gefischt, die halbe Nacht durch die Wohnung gejagt und das quetschige Opfer dann zum Beweis ihrer pantergleichen Kräfte vors Bett gerollt. Ja, schnurr du nur . . .

Winkel würde nie etwas abgeben. Lieber sitzt sie da, die Pfötchen brav nebeneinander gestellt, ob denn da nicht etwas abfallen könnte, wenn gerade gekocht wird. Dann beobachtet das gefühlvolle Tier jede meiner Bewegungen bei der Zubereitung eines leckeren Entengerichts: Dem großen Vogel werden die letzten Federkiele gezupft, Winkels Schwänzchen schwenkt unruhig hin und her; die Ente wird gewaschen, sie spitzt die Ohren; der Vogel wird trocken getupft, ihre Augen beginnen zu glänzen – halt! Die Innereien vergessen! Mit der Hand greife ich tief in den Vogel, und Winkel beugt sich angewidert vor, die Augen werden trübe, sie stöhnt auf und kotzt, sensibel wie sie ist, mitten auf den Tisch. Mein Mobiltelefon ertrinkt in einer Geleesoße voller bräunlicher Brocken.

Wäre ich der Katzenflüsterer würde ich jetzt nicht aufheulen und mit einer Hand in der Ente durch die Küche springen. Winkel ist bereits in ihren Lieblingswinkel geflüchtet und wartet auf bessere Zeiten und die nächste Lektürestunde. Milkling jedoch liegt auf dem Schrank und sieht mich von oben herab an. Ich bin mir ganz sicher, sie schnurrt nicht, sie kichert. MARC EINHELLIG

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