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Nur für infantile Frauen?

■ Konventionell, doch präzise: Ulla Hahns „Das verborgene Wort“

Der Effekt ist bekannt: Wenn ein Roman im Literarischen Quartett (bald Geschichte) vorgestellt wird, treibt das die Verkaufszahlen automatisch in die Höhe. Egal ob Kritik oder Lob, Verlage und Buchhändler freuen sich. Nur die Autoren sind bisweilen still gekränkt.

Nicht so Ulla Hahn. Über den bösen Verriss ihres zweiten Romans Das verborgene Wort in der Oktober-Sendung war die in Hamburg lebende Schriftstellerin so erbost, dass sie sich über die „Hasstirade“ und den „Vernichtungsversuch“ von Marcel Reich-Ranicki öffentlich beschwerte. Der Literaturpapst, früher ein glühender Förderer und Fan ihrer Lyrik, schoss prompt zurück. Zwar betrübe ihn die heftige Reaktion der Schriftstellerin, sein Urteil stehe aber fest: Ihr Buch sei der Bericht eines infantilen Mädchens und, wenn überhaupt, nur für Frauen interessant.

Zugegeben: Der etwas altbackene Anfang macht nicht so richtig Leseappetit auf die folgenden knapp 600 Seiten. Da geht das Vorschulkind Hildegard Palm mit dem Großvater an den Rhein und wirft Steine ins Wasser, die streng katholische Großmutter wird klischeehaft mit Apfelbäckchen und Dutt beschrieben.

Vielleicht ist Reich-Ranicki ja nicht über diese Durststrecke hi-nausgekommen. Schade, denn allmählich entwickelt sich das Ganze zu einem veritablen Entwicklungsroman einer bedrückenden Kindheit und Jugend im Rheinland der Fünfzigerjahre. „Dat Heldejaad“ flieht vor Schlägen, Verständnislosigkeit und religiösem Eifer in die Fantasiewelt der Bücher – und findet in der Sprache ihr Glück.

Auch die Lektüre von Das verborgene Wort kann Sprachliebende begeistern. Formal bewegt sich Hahn zwar mit der chronologisch erzählten Geschichte in konventionellen Bahnen, doch ihre Wortwahl ist präzise und farbig, die fast durchgängig rheinisch gefärbten Dialoge klingen wie aus dem Mund geklaubt. Auch Reich-Ranickis Kollege Hellmuth Karasek war einmal angetan von diesem Buch. Von „imponierender Erzählkunst“ und einer „besonders plastischen“ Geschichte sprach er.

Beim Literarischen Quartett allerdings schloss er sich Reich-Ranickis vernichtendem Urteil an. Wie kam es zu diesem Sinneswandel? Karasek macht mittlerweile keinen Hehl daraus, das Buch zum Zeitpunkt seiner ersten Kritiken noch gar nicht zu Ende gelesen zu haben. Jetzt sei er enttäuscht. Wer sich nach dem ganzen Medienrummel ein eigenes erstes Urteil bilden will, der komme am 12. November um 20 Uhr zur Lesung ins Altonaer Theater. Karin Liebe

12.11., 20 Uhr, Altonaer Theater

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