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Reform bei Milli Görüs

■ Fatih-Moschee erklärt, wie sie zu Milli Görus steht / Nach den Terroranschlägen dürfe Dialog nicht abbrechen

„Milli Görüs wird Diskurse führen, die die deutsche Öffentlichkeit in aller Breite verfolgen kann.“ In der Kölner Zentrale der vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierung Milli Görüs bemühe man sich künftig um neue Strukturen. Das gab am Donnerstagabend in der Fatih-Moschee das Bremer Milli-Görüs-Vorstandsmitglied Mustafa Javuz bekannt. Der Sprecher der Fatih-Moschee war zugleich als Moderator einer Veranstaltung mit dem Leiter des Hamburger Orient-Instituts, Udo Steinbach, vor rund 100 Personen aufgetreten. Mit seiner Stellungnahme reagierte Javuz auf klare Aufforderungen aus dem Publikum.

Das SPD-Parteimitglied Jan Holthuis hatte die wegen ihrer Nähe zu Milli Görüs umstrittene größte muslimische Gemeinde Bremens deutlich aufgefordert, Position zu Milli Görüs zu beziehen. „Es reicht mir nicht, hier einen deutschen Wissenschaftler zu hören, der mir erklärt, dass Milli Görüs nicht verfassungsfeindlich arbeitet“, so Holthuis. Ihm schloss sich der Leiter des Zentralinstituts Islam-Archiv in Bremen, Mehmet Kilinc, an. „Ich habe das Gefühl, dass man hier Angst hat, sich zu bekennen, wie man zu Milli Görüs steht“, hatte er provoziert. Aber er nahm auch den Referenten in die Zange. „Ich freue mich über ihre differenzierte Bewertung über Milli Görüs“, so Kilinc. Denn als Hauptreferent der ers-ten Bremer Islamwoche vor vier Jahren habe Steinbach noch vor Milli Görüs gewarnt. Nun sei er zur selben Ansicht gekommen, wie damals bereits das Islam-Archiv. „Uns wurde damals vorgehalten, wir seien von Milli Görüs unterwandert“, so Kilinc. „Wirft man ihnen das jetzt auch vor?“

Tatsächlich hatte Udo Steinbach die Politik und deutsche Behörden aufgefordert, im Umgang mit muslimischen Organisationen „mehr Phantasie“ zu entwickeln. Den ausschließlich ehrenamtlichen Organisationsstrukturen der Muslime müsse man offener und verständnisvoller begegnen. Der begonnene Dialog dürfe nach den Anschlägen vom 11. September nicht abbrechen. Insbesondere warnte Steinbach davor, eine Organisation wie Milli Görüs zu verbieten. Dies sei unbegründet und könne sich zudem verhängnisvoll so auswirken, „dass es an den Rändern bröselt und von dort Gruppen gewalttätig werden.“ Doch treffe die Gedankenkette „Islam–Islamismus–Extremismus–verfassungsfeindliche Gewalttäter“ für die Gruppierung nicht zu. Dass sich muslimische Organisationen auf die Scharia bezögen, sei dabei logisch. Nicht-Muslime müssten dabei zur Kenntnis nehmen, dass die Scharia enorm flexibel und eben kein Dogma sei. Dennoch bescheinigte Steinbach der Milli Görüs ein Glaubwürdigkeitsdefizit. Insofern sei die Absicht der Fatih-Gemeinde, auch hierzu eine Veranstaltung anzubieten, erfreulich. Muslime müssten stärker in Dialog treten. Vertreter der Fatih-Moschee bekundeten, diesen in Bremen nun insbesondere mit der CDU suchen zu wollen.

Eva Rhode

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