: Ausschaltung erwünscht
Israelische Politiker mögen al-Dschasira nicht. Sie fordern ein Verbot des arabischen News-Senders – oder die Gründung eines proisraelischen Konkurrenzkanals. Bei den Palästinensern Nummer eins
aus Ramallah SUSANNE KNAUL
Der Satellitensender al-Dschasira regt einige israelische Politiker so auf, dass Informationsminister Rubi Rivlin prüft, ob ein Verbot des Senders in Israel durchsetzbar wäre. Der Kanal aus dem Scheichtum Katar verbreite antizionistische Hetze, schimpfen Knesset-Abgeordnete. Und vergessen offenbar, dass auch israelische Politiker bei al-Dschasira zu Wort kommen: Expremierminister Ehud Barak gehört dazu und der Abgeordnete Roni Milo, der das mit ihm geführte Interview als „ausgewogen und fair“ bezeichnete. Ob Hetze oder nicht, so Zipi Livni, Ministerin ohne Aufgabenbereich, ein Verbot sei nicht die richtige Antwort. Eher sollte für die passende Konkurrenz gesorgt werden. Livni schlägt einen jüdischen Satellitensender vor, mit dem die eigene Berichterstattung „Orte erreichen wird, die uns heute nicht hören“. Doch das kostet – und wird aus dem Staatshaushalt allein nicht zu finanzieren sein.
Viel Geld hatte am Anfang auch al-Dschasira nicht: Mit ganzen 150 Millionen Dollar Startkapitel ging man vor fünf Jahren auf Sendung. Heute berichten rund 30 Korrespondenten aus aller Welt für den arabischen Nachrichtenkanal. Von Anfang an mit dabei ist Walid Al Omary, Mitte 30, arabischer Israeli aus Nazareth, Absolvent der Hebräischen Universität in Jerusalem.
In seinem winzigen Büro in Ramallah verfolgt er die Agenturen am Notebook. Daneben steht ein altes Radio mit zerbrochener Antenne. Al Omary ist gestresst, spricht auf zwei Telefonleitungen gleichzeitig: Aus einem Nachbarort werden Schießereien gemeldet. Von vier Toten ist die Rede, ein Team bereits am Ort. Al Omary gibt per Fax die letzten Neuigkeiten an die Hauptredaktion in Katar weiter. Insgesamt sind in Ramallah 15 Leute beschäftigt: drei Kamerateams für Israel an sich plus Westbank und eines für Gaza. Von der Übertragung abgesehen erledigen sie von der Aufnahme bis zum Schnitt alles selbst. Gesendet wird täglich. Deshalb ist der Sender auch unter den Palästinensern so beliebt. Er berichtet schnell und umfänglich. Und er berichtet über beide Seiten.
„Arafat hat sich mehr als einmal über uns beschwert“, sagt Al Omary. Infolge eines kritischen Berichts über die Vergangenheit des PLO-Chefs war das Büro sogar vorübergehend geschlossen worden. Al Omary sieht das gelassen: „In dem Moment, in dem wir anfangen darüber nachzudenken, wie wir einer bestimmten Regierung gefallen können, hören wir auf, Journalisten zu sein.“ Den größten Erfolg habe die Station mit den Direktübertragungen, zum Beispiel der israelischen Bombardierungen Ramallahs nach dem Lynchmord an zwei Soldaten vor einem Jahr. – Die Einschaltquoten von al-Dschasira haben längst die des offiziellen palästinensischen Fernsehens überholt.
Das Erfolgsgeheimnis ist simpel: „Wir sind so populär, weil wir die Wahrheit sagen.“ Dass der Sender immer wieder Bin Laden ein Forum gibt, ist für ihn kein Thema. „Rufen Sie in Katar an, wenn Sie dazu etwas wissen wollen.“ Auch bei Fragen zur angeblichen Sympathie in Palästina für den US-Staatsfeind Nummer eins hält sich Al Omary bedeckt. „Was soll das heißen?“, fragt er. „Ich sehe hier keine einzige Demonstration für Bin Laden.“
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