american pie: Slawa Fetisow in der Ruhmeshalle des Eishockey
Der Fels von Gibraltar
Wjatscheslaw „Slawa“ Fetisow ist nicht der erste in Russland geborene Eishockeyspieler, der den Sprung in die illustre Hall Of Fame der National Hockey League (NHL) schaffte. Das war der Kanadier Dave „Sweeney“ Schriner, der von 1934 bis 1946 in der Liga spielte, das russische Sarator aber bereits einen Monat nach seiner Geburt im Jahre 1911 mit den Eltern gen Calgary verlassen hatte. Fetisow ist jedoch der erste waschechte Russe, dem die hohe Ehre zuteil wurde, und das ist nur recht und billig. Der inzwischen 43-Jährige ist nicht bloß einer der besten und erfolgreichsten Spieler der Eishockeygeschichte, sondern auch derjenige, der die nordamerikanische Profiliga für die Cracks aus der sowjetischen Sbornaja öffnete.
1989 wechselte der Verteidiger von ZSKA Moskau zu den New Jersey Devils, dies nicht klammheimlich durch die Hintertür, sondern hochoffiziell. „Ich hatte massenhaft Gelegenheit mich abzusetzen“, meinte er später, „aber mein Name war zu groß, um einfach wegzulaufen.“ Der Streit mit der sowjetischen Regierung und dem tyrannischen Chefcoach Viktor Tichonow um die Freigabe sei der härteste Kampf seines Lebens gewesen, sagt Fetisow. Sein Durchsetzungsvermögen öffnete die NHL für eine ganze Generation von Spielern aus der sowjetischen Eishockeyschule, welche in der Folgezeit die vorher vor allem robuste Profiliga mit ihrer Technik und Spielkunst bereicherten.
Bei den Detroit Red Wings gewann Fetisow mit der legendären „Russian Five“ 1997 als 39-Jähriger den Stanley Cup, und obwohl er kurz danach einen schweren Autounfall hatte, wiederholte er das Kunststück im Jahr darauf. Es war die Trophäe, die ihm nach zwölf sowjetischen Meisterschaften mit ZSKA, sieben Weltmeistertiteln und zwei Olympiasiegen gefehlt hatte und die ihm mit New Jersey im Finale 1995 gegen Detroit noch entgangen war. „Ich bin einfach so lange geblieben, bis ich den Cup hatte“, sagte er, als er 1998 zurücktrat und Assistenztrainer bei den New Jersey Devils wurde.
Als Verteidiger war „Slawa“ Fetisow hart, technisch perfekt und offensivstark. In neun Jahren NHL gelangen ihm bei den Devils und den Red Wings in 546 Spielen 36 Tore und 192 Assists, seine Spezialität war jedoch ein Spielzug, der meist nicht in der Scorer-Statistik auftaucht: jener schnelle Pass aus der Abwehr, der das gegnerische Team überrumpelt und die entscheidenden Lücken schafft. „Er war wie der Fels von Gibraltar“, sagt Stürmer Dale Hawerchuk, der zusammen mit Fetisow, Jarri Kurri und Mike Gartner am Montag in die Hall Of Fame aufgenommen wurde. „Für mich war er der General des sowjetischen Teams,“ fügt der Kanadier hinzu.
In den USA bekannt geworden ist Wjatscheslaw Fetisow allerdings mit einer Niederlage: dem legendären 3:4 des besten UdSSR-Teams aller Zeiten gegen die Collegeboys aus den USA im olympischen Finale von Lake Placid 1980. „Es war das wohl politischste Match der jüngeren Olympiageschichte, mit Afghanistan und all dem“, erinnert sich Fetisow. Vorher sei das Team in den Kreml beordert worden, und es habe geheißen, man könnte gegen jeden verlieten, bloß nicht gegen die USA. Alle hätten schallend gelacht.
Für die NHL bedeutete das „Wunder von Lake Placid“ den Durchbruch in den USA, für den damals 20-jährigen Fetisow eine heilsame Lehre: „Du kannst gegen jeden Gegner verlieren, wenn du ihn unterschätzt.“ Eine Erkenntnis, die auch das zuletzt wenig ruhmreiche russische Team bei den Olympischen Spielen im kommenden Februar gut gebrauchen kann. Bei den Weltmeisterschaften in Deutschland war die Mannschaft zuletzt im Viertelfinale an Schweden gescheitert, Boris Michailow, eine weitere sowjetische Eishockey-Ikone, daraufhin seinen Job als Cheftrainer los. Über ihren Wunschkandidaten für die Nachfolge waren sich die Spieler einig: Kein anderer als Wjatscheslaw Fetisow, der in Salt Lake City nun tatsächlich in die Fußstapfen seines alten Meisters und Peinigers Viktor Tichonow treten wird. MATTI LIESKE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen