piwik no script img

Uneingeschränkt für den Frieden

Auf zwei Friedenskundgebungen demonstrierten über tausend vor der Humboldt-Uni und dem Brandenburger Tor

„Ich fürchte, dass sie umkippen werden“, sagt Informatikstudent Jürgen Großmann und meint die acht grünen Bundestagsabgeordneten, die sich bisher gegen eine deutsche Kriegsbeteiligung ausgesprochen haben. Deswegen harrt er aus, die Hände in den Taschen – „um zu zeigen, dass das nicht meine Meinung ist“. Es ist 17 Uhr, die PDS hat zur Friedensdemonstration gerufen, knapp tausend Menschen frieren laut Polizei vor der Humboldt-Universität.

Sandra Brunner, ebenfalls Studentin, fürchtet Ähnliches: „Die Koalititionsräson wird siegen.“ Es wundert sie nicht, dass der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele auf der Tribüne nicht reden wird. „Mit diesem Auftritt würde er sich auf ein Nein zum Afghanistankrieg festlegen.“

Die Kriegsgegner deuten Ströbeles Fernbleiben als vages Signal. Eigentlich fest als Redner eingeplant, befand er sich gestern „aus privaten Gründen nicht in Berlin“, teilte sein Büro mit. Erst gegen Abend werde er wieder einfliegen. Ob und wie er auf der Demo reden werde, sei unklar – und blieb es bis Redaktionsschluss auch.

Und so freute sich Gregor Gysi über mehr Redezeit, bevor sich der Zug in Richtung Brandenburger Tor in Bewegung setzte. Hier stieß er auf auf eine zweite Antikriegskundgebung, die die Friedenskoordination (Friko) für 19 Uhr angemeldet hatte.

Organisatoren beider Veranstaltungen hatten mit der überraschenden Verlegung der entscheidenden Bundestagsdebatte zu kämpfen – aus dem ursprünglich als Protesttermin geplanten „Tag X minus eins“ wurde ein „minus zwei“: „Die Bühne war bereits bestellt und die Mobilisierung für eine Umplanung zu weit fortgeschritten“, sagte Hans-Peter Richter, Mitorganisator der zweiten Kundgebung.

Nicht nur auf der Straße regte sich Protest: Das afghanische Kulturzentrum forderte alle Bundestagsabgeordneten in einem offenen Brief dazu auf, den Einsatz von Bundeswehrsoldaten abzulehnen. „Die Hoffnung auf den militärischen Erfolg der Bundesregierung zeugt von einem verkürzten Verständnis von Übernahme internationaler Verantwortung“, heißt es in dem Schreiben.

Weniger dezent wird sich der Protest vor dem Reichstag am Freitag artikulieren. Verschiedene Organisationen planen Aktionen. Das Bündnis „Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär“ rechne mit bis zu 500 Protestlern, so ein Sprecher. „Wenn es möglich ist, wollen wir mit den Abgeordneten vor dem Haupteingang diskutieren“, sagte er weiter. Auch Hans-Peter Richter kündigte an, dass „Einzelpersonen von der Friko auftauchen“ würden – einzeln, denn innerhalb der Bannmeile sind Demos verboten.

ULRICH SCHULTE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen