: Bilder vom gefallenen Paradies
■ Vier baskische Künstler sind im Kielwasser des Guggenheim-Effektes an der Weser gestrandet. Politisch sind sie kaum mehr
Desparadisoa lautet das letzte Wort eines Gedichtes des baskischen Schriftstellers Bernardo Atxaga. Übersetzt „Das gefallene Paradies“. Desparadisoa ist auch das Motto einer Ausstellung in der Städtischen Galerie am Buntentor. Zu sehen sind Werke der Künstler Joseba Eskubi, Erramun Landa, Fermin Moreno und Jorge Rubio. Sie alle eint, dass sie aus Bilbo (baskisch für Bilbao) stammen. Die Hauptstadt der baskischen Provinz Biskaia teilt mit Bremen das Schicksal, im Zuge von Werften- und anderen Krisen mit den negativen Folgen der Deindustrailiserung fertig werden zu müssen. Doch Bilbo stellte sich den Herausforderungen. Krönung des Strukturwandels war der millionenschwere Bau des Guggenheim-Museums. Er zog eine Fülle von weiteren Bautätigkeiten nach sich. Kurz: den Guggenheim-Effekt.
Mit erheblichen Investitionen setzt die einstige Proletenstadt nun auf gehobenen Kulturtourismus. Der Anlass der Ausstellung war denn auch primär die Frage, ob und inwieweit Bremen von Bilbo lernen könne. So stehen die Werke der vier jungen Basken ein bisschen im Schatten dieser Stadtentwicklungsdebatte, die mit Kolloquien und Vorträgen ebenfalls in der Neustädter Galerie stattfand.
Das Motto „Desparadisoa“ selbst war eher eine äußere denn eine konzeptionelle oder gar ästhetische Klammer. Joseba Eskubi hat sich dem Irrealen verschrieben. In einer Serie von kleinformatigen Bildern illustriert er das „gefallene Paradies“ durch Variationen eines Objektes, das er selbst mit „Müll“ oder „Weggeworfenem“ assoziiert. Anders Jorge Rubio. Sein Thema: der Innenraum. Von allen Vieren arbeitet er am stärksten gegenständlich. Sein „espacio interior“ ist von Menschen bevölkert, die in verzweifelter Nachdenklichkeit verharren oder sich als transparente Schimären in einen Stuhl verkeilt haben, während sie zugleich ein verkleinertes Abbild ihrer selbst in sich tragen. Diese aus dem Paradies Vertriebenen liegen sich in ihrer ausweglosen Situation buchstäblich selbst im Magen. Fermin Moreno wiederum setzt sich mit der Spannung von zweiter und dritter Dimension auseinander. Seine streng geometrischen Konstruktionen springen aus der Fläche heraus. Doch am liebsten bleibt er in der Ebene: „Ich ziehe es vor, die dritte Dimension lediglich zu imaginieren“, sagt er. Ganz anders Erramun Landa. Er ist der Informellste. Düster wirken seine Arbeiten. Landa visualisiert ein Haben-Wollen, das den Zustand des Desparadisoa überwinden möchte, ohne das Objekt seiner Begierde zu kennen.
Dennoch ist es zugleich Landa, der auf die problematische Situation im Baskenland und seiner Heimatstadt hinweist. „Das Leben in Bilbo ist hart“, sagt er. „Die Stadt mit ihren sozialen Problemen und inter-ethnischen Spannungen ist bereits Desparadisoa. Außerdem stecken uns noch die 40 Jahre der Franco-Diktatur in den Knochen.“ Aus dieser Konflikthaftigkeit entsteht nach Landa Kreativität.
Eskubi, Landa, Moreno und Rubio sind bei aller formalen Unterschiedlichkeit doch Vertreter einer neuen Generation. Ihre Kunst teilt die Abkehr vom Realismus.
Damit steht sie in krassem Gegensatz zur jungen baskischen Musikszene. Der „Rock Radical Vasco“ - personifiziert durch Fermin Muguruza, Gründer von Kortatu und Negu Gorriak und Freund von Manu Chao - hat mit seinen politischen Texten Standards gesetzt, hinter die keine der neueren Gruppen zurückfallen will. Der Unterschied zur Kunst mag im Medium liegen. Wer in den einheimischen Sprachen Euskera (Baskisch) und Spanisch textet, richtet sich nicht an ein internationales Publikum. Die Zielgruppe dieser Musik, die jungen BaskInnen, ist immer noch stark politisiert bis hin zu offener ETA-Sympathie. Die offene Symbolsprache der Kunst hingegen bietet die Möglichkeit, bruchlos an internationale Strömungen anzuknüpfen und sich dergestalt der Unhintergehbarkeit und Enge des baskischen Konfliktes zu entziehen. Als nächstes gehen die vier nach Lissabon. Dort müssen sie nicht für oder gegen etwas sein, sie gehören einfach dazu. Thomas Gebel
Desparadisoa läuft noch bis zum 25. November in der Städtischen Galerie am Buntentor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen