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Lauter schöne Lieder

■ Travis stießen im Pier 2 die Brit-Pop-Götter endlich vom Thron. Ihre Bescheidenheit ist daher trügerisch

„Man kommt sich vor, als würde man bei jemandem im Wohnzimmer spielen“, sagt Healy zur Begrüßung mit unwiderstehlichem schottischen Akzent und freut sich offenkundig über die relative Überschaubarkeit der Bremer Location – zu Hause führen Travis ihren melancholisch untertriebenen, britisch aufbereiteten Singer-Songwriter-Rock längst nur noch in Arenen und Stadien auf. Da mag einem das fabrikmäßige Design des Pier 2 intim vorkommen. Nach zwei, daheim im United Kingdom über alle Maßen erfolgreichen Alben, die dem britischen Pop nach Britpop ein neues Gesicht zu geben halfen, ist das Quartett um den freundlichen Sondermann Fran Healy eine Superkapelle, ein Ereignis und längst larger than life.

Dass die große Geste mittlerweile zum Repertoire der schüchternen Jungmänner gehört, wird indes bald klar. „Sing“ und „Writing To Reach You“ leuchten bei allem Understatement in einem Charisma, das sich bloß auf großen Bühnen entfalten kann, das Riesenlied „Why Does It Always Rain On Me“ ist – wie konnte das so schnell passieren? – schon jetzt ein Klassiker, und „Driftwood“ vom millionenfach verkauften „The Man Who“ schwelgt in stiller, entspannter Schönheit. Lieder wie diese halfen vor nun drei Jahren, die Oasis-Brüder und Supergockel Gallagher endlich von ihrem Thron zu stoßen und Schluss zu machen mit all dem pfauenhaften Gebaren, das die Popmusik Großbritanniens allmählich zum Attitüdenzirkus verkommen ließ. „Du musst deiner Vision folgen“, erläutert Healy sein Lebensmotto mit beschwörender Geste, „und nie deinen Lebenstraum aufgeben“. Den eigenen hat er freilich längst verwirklicht.

Zum Schluss dann „Blue Flash-ing Light“, wohl das einzige Stück im Oeuvre der Schotten, das kein zärtliches Gefühl besingt: Healy dräut, die Trommeln beben, die Gitarren jaulen, und am Ende versinkt alles in einem kathartischen Lärmwall, so als ginge es heute Abend eigentlich doch um Rock'n'Roll. Geht's aber natürlich nicht – mit eigenen Versionen von Britney Spears', von Healy frappierend aufs nackte Liedgerüst reduziertem „Hit Me Baby One More Time“ und Bowies Glam-Schunkler „All The Young Dudes“ unterstreichen Travis am Ende noch einmal, was stets ihr erstes Anliegen ist: Lauter schöne Lieder.

schlü

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