piwik no script img

Italiens rote Mitte

Italienische Linksdemokraten suchen Weg zur „reformistischen Kultur“. Aber auf ihrem Parteitag meldet sich auch eine altlinke Fraktion zu Wort

ROM taz ■ Erstmals seit Jahren war die Saaldekoration wieder tiefrot, und erstmals seit Jahren stimmten die Delegierten zur Eröffnung des Parteitages die Internationale an – doch mit ihrem gestern in Pesaro zu Ende gegangenen Kongress vollzogen Italiens Linksdemokraten (DS) eher eine Rechts- als eine Linkswende.

Für die Wende steht der neue Parteichef Piero Fassino. Unter dem Motto „Sich ändern oder sterben“ verordnete er den Delegierten als Marschroute, sie müssten endlich „wirklich sozialdemokratisch“ werden.

Denn trotz der Abkehr vom Kommunismus, trotz fünfjähriger Regierungsbeteiligung bis zur Wahlniederlage im Mai, trotz der Tatsache, dass die DS 1998–2000 mit Massimo D’Alema auch Italiens Ministerpräsidenten stellte, liegt die Partei in der Wählergunst bei nur noch 16 Prozent. Gravierende Irrtümer mochte Fassino in den Regierungsaktivitäten der DS nicht erblicken. Nur ein Fehler sei gemacht worden: Dem „reformistischen Handeln“ habe keine „reformistische Kultur“ entsprochen. Die Linke müsse endlich einsehen, dass sie Berlusconi nur schlagen könne, wenn sie ihn auf dem Feld der Modernisierung der Gesellschaft in den Schatten stelle. Auf gut Deutsch: Wahlen werden in der Mitte gewonnen.

Damit gewann Fassino in den schon im Vorfeld des Parteitags abgehaltenen Urwahlen 62 Prozent der Mitgliederstimmen. Der eigentliche Sieger des Parteitages aber heißt Massimo D’Alema. Er war der Regisseur der „Operation Fassino“, und er wurde gestern als „Parteipräsident“ bestätigt. Offiziell ist das ein reines Ehrenamt, aber die Delegierten ließen keinen Zweifel, wer der wahre Chef ist: So müde sie Fassino applaudierten, so begeistert feierten sie D’Alema mit stehenden Ovationen.

Er hat alle Schaltstellen der Partei – den Vorsitz sowie die Fraktionsvorsitze in Kammer wie Senat – mit seinen Leuten besetzt. Er verkündete, nun stehe endlich die Schaffung der „Sozialdemokratischen Partei“ und die Einigung der Linken an.

Doch Fassino und D’Alema müssen mit einer innerparteilichen Opposition leben, die immerhin 34 Prozent ausmacht. Die sind überzeugt, dass die DS nur erstarken kann, wenn sie statt Modernisierungswettlauf mit Berlusconi Verteidigung der Arbeitnehmerrechte betreibt. Zudem müssten die Linksdemokraten endlich den Kontakt zu den Globalisierungsgegnern suchen. Als Kandidaten für den Parteivorsitz hatte die Opposition den 77-jährigen Giovanni Berlinguer ins Rennen geschickt, doch auch hier ist der starke Mann ein anderer: der mächtige Chef des Gewerkschaftsbundes CGIL, Sergio Cofferati. Einen Vorgeschmack auf dessen Hausmacht lieferte am Freitag eine Metaller-Demo in Rom mit über 200.000 Teilnehmern, die Fassino in seiner Rede mit keinem Wort erwähnte. MICHAEL BRAUN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen