: Das Sein und der Spaß
Niemand rockt das Powerbook viel besser als Martin Gretschmann: Heute stellt der auch unter dem Namen Console bekannte Musiker in der Volksbühne sein Album „Live At Centre Pompidou“ vor – mit Diaprojektionen und allem Drum
Um Eindeutigkeiten geht es bei Console nicht. Im Gegenteil. Console ist mal Ein-Mann-Unternehmen, mal Band, mal unterwegs auf dem Dancefloor und dann wieder im Hörspielstudio. Console ist ein Überbegriff für die unterschiedlichsten Projekte, deren gemeinsamer Nenner das entscheidende Mitwirken von Martin Gretschmann ist: Super-Nerd, wie es scheint, und einer, der mit seiner Wuschelhaarfrisur auf den ersten Blick kaum Popstarglamour verströmt.
Doch auf verstärkte Öffentlichkeitsarbeit legt es Gretschmann gar nicht an. Als er vor einigen Jahren damit begann, seine diversen Gitarrenrockbandprojekte aus der einschlägigen Weilheim-Szene hinter sich zu lassen und auf Schlafzimmerproduzent umsattelte, rechnete er kaum damit, dass sich eines Tages eine aufgeregte Björk bei ihm melden würde, um um seine Mitarbeit für ihr neuestes Album zu bitten.
Gretschmann war damals einfach einer von denen, die fasziniert von neuer elektronischer Musik waren und mal etwas Neues ausprobieren wollten. Autechre, Aphex Twin, das klang frisch, und eine Band und einen Übungsraum, all diese lästigen Dinge, brauchte man plötzlich nicht mehr: eine verlockende Perspektive.
Gretschmann wurde zur Tüftelmaschine, zum Superfrickler. Er spielte sein erstes Soloalbum als Console ein und wurde zu demjenigen, der seinen Freunden von Notwist auf „Shrink“ die schönen Geräusche und das Knistern besorgte. Damit gab er auch dem für sich selbst gemachten Paradigmenwechsel hin zur Elektronik eine Form.
Die Arbeit für Notwist brachte Console den Ruf ein, eine Art Zauberunternehmen zu sein. Man gebe dem Gretschmann einen Track, und der macht daraus schon irgendetwas Spannendes. Bis heute hat er nicht bloß für befreundete Bands wie Locust Fudge oder Tocotronic Remixe angefertigt, sondern sich mit viel Witz auch der Welt von jemandem wie Blümchen angenähert. Das System Console kennt keine Grenzen.
Das wurde endgültig deutlich, als nach der Platte „Rocket In My Pocket“ recht unvermittelt der Hit „Zero, Zero, Zero“ auftauchte, ausgestattet mit Computerstimme und analogen Achtzigersounds. Das Stück wurde nicht nur in Clubs zur Stimmungskanone, und das Achtzigerrevival erreichte seinen ersten Höhepunkt. Doch gleich darauf schaltete Console wieder auf stur. Hemmungslosigkeit und Spaß ist eine Sache, Heidegger eine andere.
Plötzlich begab Gretschmann sich an die Hörspielfront, klopfte an die Tore der Hochkultur und bastelte für den SWR Bassdrums, die sich mit der Frage nach dem Sein beschäftigten. Auch die aktuelle Console-Platte „Live At Centre Pompidou“, eingespielt vor brav klatschendem Publikum, ist Lichtjahre entfernt von Gretschmann, der Partysau, und setzt eher auf elektronischen Ambient als auf Vocoder-Exzesse.
Die Platte beweist einmal mehr, dass bei Console alles möglich ist, auch live. „Nur wenige können das Powerbook rocken wie Martin Gretschmann“, meint Markus Acher von Notwist. Zwar rockt die Centre-Pompidou-Platte eher nicht – doch Berlin ist ja auch nicht Paris und jedes Console-Konzert ein neuer Anfang. Um sich alle Möglichkeiten offen zu halten. ANDREAS HARTMANN
Heute Abend, ab 21 Uhr 30, Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte
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