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Fatale Abstimmung im Bundestag

Welche politische Qualität, welchen Wert und welchen Wahrheitsgehalt hat eigentlich die Abstimmung im Bundestag am 16. 11. 01? Es ging nicht mehr um eine Mehrheit für die Zustimmung zum Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan, um die Frage: Deutscher Kriegsbeteiligung – ja oder nein?, sondern nur noch um die Machtfrage und den Machterhalt der Koalition. Diese Erpressung sollte gelingen durch die Verknüpfung mit der Vertrauensfrage, des Kanzlers letztes Mittel.

[. . .] Wenn Argumente nicht mehr überzeugen, wählt man den Weg der politischen Nötigung. Eine dialektische Auseinandersetzung in der Sache wurde verhindert. Viele, die „dafür“ stimmen wollten (CDU und FDP) sind jetzt dagegen, das Häuflein der aufrechten Abweichler wird platt gebügelt durch das Schreckgespenst vom Ende der rot-grünen Koalition.

Die Glaubwürdigkeit der Parteien wurde beschädigt. Es wurde hier wieder einmal vorgeführt, was „Mehrheit“ ist, wie wenig Politik oft mit Sachentscheidungen zu tun hat und wie wenig Bundestagsabgeordnete noch Stimme des Volkes sind. Die Meinung der Öffentlichkeit zur Frage deutscher Kriegsbeteiligung wird ignoriert. Es wäre klüger gewesen, eine so sensible Frage, die Grundüberzeugungen von großen Teilen der Bevölkerung und von Parteien tangiert, nicht mit der Brechstange durchzusetzen. Die Kanzlermehrheit wurde gewonnen, doch demokratischer Stil, Meinungsfreiheit und Vertrauen haben verloren.

PROF. HANS JOACHIM KAUFFMANN, Thedinghausen

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