berliner szenen
: Auch Gefühle

Rüsselsüppchen

An dem Tag möchte man auch nicht Huhn sein, an dem der beliebte Chef der Chicksclique, der Hahn persönlich nämlich, ohne seinen Kamm nach Hause kommt. Den haben sie ihm abgeschnitten. Um ihn mir zu servieren. Ganz ehrlich, ich hatte geglaubt, das sei mal wieder nur so ein Ausdruck, so wie „falscher Hase“ oder „kalte Schnauze“, konnte ja keiner ahnen, dass bei „Hahnenkämmen“ wirklich rote, gezackte, schwabbelige Kämme auf dem Teller liegen, neben einer „Schweinsfüßchenvinaigrette“ übrigens, über die ich gar nicht zu spekulieren wage. Was gibt es morgen denn, Elefantenohrläppchensalat? Hilfe!! Und als ich so um mich herumschaute in dem Restaurant, fiel mir auf, dass sogar die Blumen brutal direkt untern prachtvollen Rosenköpfchen gekappt und in eine mit harten Steinchen gefüllte Schale gequetscht worden waren, und auch Blumen haben schließlich Gefühle! Oder nee, das waren doch Tiere. Natürlich, im Prinzip ist es egal, ob man das kleine Ferkelchen elektroschockt, dem Hühnchen für ein Gar-In den Garaus macht, oder ob man den Hahn skalpiert, damit verwöhnte Charlottenburger Luxuszicken oder fassungslose Kreuzberger Beatchicks etwas zu mümmeln haben. Tiere töten ist Tiere töten ist Tiere töten, entweder hält man’s mit den Vegetariern oder mit den Vegetierern, quatsch, mit den Glücklich-dahingeschiedene-Tiere-Futterern-weil-das-schließlich-natürlich-ist. Trotzdem. Neulich hat ein kleiner Junge mich gefragt: „Was ist dein Lieblingstier?“ „Flügelrochen ...“, argwöhnte ich vorsichtig. „Dann stell dir mal vor, du musst einen erschießen“, kicherte er, der kleine Quälgeist. Wer weiß, vielleicht trainieren kleine Jungs ja so bereits für die Hahnenkämme und Hahnenkämpfe des Lebens.

JENNI ZYLKA