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Stars der gebauten Wirklichkeit

■ Der vorerst letzte Beitrag der Delmenhorster Architekturdebatte

„Deutsche Architekten sind langweilig“ – keine Sorge: Der Spruch stammt weder von Ulrich Tilgner, dem alerten Vorsitzenden der Bremer Sektion des Bundes Deutscher Architekten (BDA), der am Mittwoch in Delmenhorst das Grußwort hielt, noch von der Haupt-referentin Ingeborg Flagge, Chefin des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main.

Der Ausspruch stammt von einem ausländischen Architekten: dem Briten James Stirling. Er hatte sich damit in einer der hitzigsten Architekturdebatten der deutschen Nachkriegsgeschichte, dem Streit um seinen Entwurf für den Anbau der Stuttgarter Staatsgalerie, gegen den Faschismus-Vorwurf aus dem Munde einheimischer Architekturprominenz zur Wehr gesetzt.

Ingeborg Flagge zitierte Stirling, weil ihr die Worte symptomatisch schienen für ein Vorurteil, das Kommunalpolitiker und Konzerne veranlasst, lieber auf ausländische Stararchitekten zu setzen. Beim Wunsch nach einem unverwechselbaren Markenzeichen, nach einem attraktiven Touristen-Magneten scheinen deutsche Architekten – zu Unrecht, wie Ingeborg Flagge meint – keine guten Karten zu haben.

Dabei will sie keineswegs den deutschen Architekten empfehlen, ebenfalls die Star-Attitüde zu wählen, wie das zum Beispiel die Hamburger Gruppe Bothe Richter Teherani praktiziert, die ja bekanntlich auf dem Bremer Teerhof einen ,echten Knaller' landen möchte. Vielmehr scheint ihr eine Architektur mit dem Qualitätssiegel made in germany vorzuschweben, wie sie Deutschland in seligen Bauhaus- und Werkbundzeiten mal besessen haben mag. Doch ist hier und heute das Klima für einen solchen Gestaltungsaufschwung gegeben?

Das Thema des Vortrags lautete „Qualität und Architektur“ – der dritte und letzte in einer kleinen, von der umtriebigen Barbara Alms von der Städtischen Galerie Delmenhorst initiierten Vortragsreihe. Die Publikumsresonanz hat sie darin bestärkt, im nächsten Jahr mit Veranstaltungen zum Thema Architektur fortzufahren.

Barbara Alms hat ihren Versuch, im abgelegenen Delmenhorst eine Architekturdiskussion zu befördern, unter das Motto „Vielfalt und Widerspruch“ gestellt. Vielfältig und in summa im anregenden Sinn widersprüchlich waren die Beiträge in der Tat. Da öffnete der weitgereiste Architekturkritiker Manfred Sack sein Dia-Archiv, um kenntnisreich – aber auch etwas unpointiert – über Tendenzen in der Museumsarchitektur zu berichten. An einem anderen Abend erörterte der Bremer Architekt Thomas Klumpp – über den man vieles sagen kann, nur nicht, er sei langweilig – seine Philosophie. Und jetzt also „Qualität und Architektur“.

Die Überschrift klingt nach Sonntagsrede, und leider bestätigte sich das Vorurteil auch. Natürlich habe heute jeder seine eigene Meinung über Architekturqualität, so Flagge einleitend. Doch statt das spätestens seit der Postmoderne-Debatte bekannte Dilemma der Vielfalt ohne gemeinsame Grundlage neu aufzugreifen, hielt sich die Referentin eher an die Rolle der klugen Ratgeberin. Gute Architektur solle „eigen-artig“ (im direkten Wortsinn) sein, gleichwohl ortsbezogen und auch wiederum nicht zu „eigenartig“ (meint: starmäßig). Gute Architektur solle technisch solide und detailliert, aber auch sinnlich anregend sein. Da hatte es dem Gast vor allem das Spiel des Lichtes auf der architektonischen Haut angetan. Da keine Lichtbilder gezeigt wurden, waren die angeführten Beispiele von Le Corbusier bis Hans Hollein, dem es mit seiner diffizilen Lichtregie gelänge, „verführerische Atmosphären zum Einkaufen“ herzustellen, nur für ausgesprochene Kenner des Metiers nachvollziehbar.

Alles in Allem: Viele schöne Worte (die man demnächst auch nachlesen kann), die aber mit der gebauten Wirklichkeit wenig zu tun haben.

Wer etwas mehr über diese Wirklichkeit erfahren möchte, dem sei die parallel laufende Ausstellung „Transfer“ der Künstlerin Claudia Medeiros Cardoso im Haus Coburg empfohlen – eine gelernte Architektin übrigens.

Eberhard Syring

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