: Der Schatz im U-Bahnschacht
Wie die Hamburger Hochbahn mit Hilfe des Dualen Systems billig ihren Müll entsorgt ■ Von Mathias Thurm
Da wird uns seit Jahren eingetrichtert, dass Plastik nicht in den Restmüll, Glas nicht in den Gelben Sack, und dass Zeitungen ins Altpapier gehören. Und was macht die Hamburger Hochbahn? Schmeißt alles zusammen und behandelt den Abfall, der auf den U-Bahnhöfen anfällt, schlicht als einen Wertstoff – egal ob es sich dabei um leere Bierdosen, alte Brötchen oder kaputte Regenschirme handelt. Denn tief im Innern der blanken Edelstahlmülleimer, die die Bahnsteige sauber halten sollen, verbergen sich Gelbe Säcke, ohne dass dies von außen kenntlich gemacht wird.
Laut Vertrag zwischen Hamburger Hochbahn und der Arbeitsgemeinschaft Duales System werden die rund zwei Millionen Gelben Säcke, die pro Jahr auf den U-Bahnhöfen der Stadt anfallen, von der Firma Tereg in die Tonnen gehängt, von der Wert GmbH weggeschafft und vom Recyclingunternehmen SKP nach Verwertbarem durchsucht. Ganz legal und offiziell. Während für private Haushalte haarklein aufgelistet wird, was rein darf und was nicht („kein Papier und kein Glas“ - „sauber und ohne Inhaltsreste“), werden die Wertstoffbehälter bei der Hochbahn als stinknormale Müllbeutel benutzt.
Kein Problem für die beteiligten Unternehmen: Falko Niemeyer von der Pressestelle der Hochbahn räumt zwar ein, dass Wertstoffsäcke manchmal überwiegend Müll enthalten, der da nicht hineingehört, vor allem Zeitungen. In Extremfällen würden Säcke auch schon mal aussortiert. Doch in der Regel werde der Inhalt von den Partnern des Dualen Systems akzeptiert. Karsten Wöbcke, Pressesprecher der Wert GmbH hat denn auch nichts an den Mülltüten auszusetzen: „Nach unseren Analysen enthalten die Gelben Säcke der Hochbahn einen sehr hohen Anteil an Verpackungen.“ Tereg-Betriebsleiter Bernd Rogge verweist auf eine frühere Untersuchung, der zufolge ihr Wertstoffanteil sogar bei über 80 Prozent gelegen haben soll.
Das wäre erstaunlich. Denn im Schnitt, so rechnet Rainer Hart-mann von der SKP Management GmbH vor, liegt der Wertstoffanteil bei Sammlungen aus privaten Haushalten, wo der Müll bewusst getrennt wird, nur bei rund 70 Prozent. Hartmann betrachtet die Gelben Säcke, die er von der Hochbahn bekommt, mit gemischten Gefühlen. Es bestehe kein Zweifel, dass deren Wertstoffanteil unter dem Durchschnitt liegt. Das mache eine Trennung der Wertstoffe komplizierter und teurer. Trotzdem sind ihm diese Säcke lieber als keine, denn sie sichern seiner Firma Einnahmen.
Der Kostenaspekt dürfte auch bei der Hochbahn eine wichtige Rolle spielen. Da die Gelben Säcke nicht einfach an die Straße gestellt, sondern in Wertstoffcontainern gesammelt werden, muss die Hochbahn immerhin neun Pfennig pro Sack bezahlen. Trotzdem: Günstiger kann man seinen Müll kaum entsorgen. Eine vierköpfige Familie, die im Jahr rund 375 Mark an die Stadtreinigung zahlen muss, könnte für das gleiche Geld, wenn sie wie die Hochbahn nur noch Gelbe Säcke für neun Pfennig verwendet, jede Woche 72 Stück davon füllen.
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