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Stimme des Volkes

Ole von Beust verliest Nachrichten bei Radio Hamburg und ist der Nette von nebenan  ■ Von Peter Ahrens

Was man über unseren Bürgermeister wissen muss: Er hat – aktueller Stand gestern früh – vier Eier, eine Zwiebel und eine Tüte Milch im Kühlschrank, spielt gern mit dem Flugsimulator und will die Polizeipräsenz in der Stadt erhöhen. Mit dem letzten spricht Ole von Beust Conny aus Bergedorf aus dem Herzen, die der Ansicht ist, „als Frau nach zehn Uhr sich nicht mehr auf den Hauptbahnhof zu trauen“. Conny ist Radio Hamburg-Hörerin, „die wir gerade in der Leitung haben“, und nebenbei die perfekte Stichwortgeberin für von Beust. Der Bürgermeister ist an diesem Morgen ganz früh aufgestanden. Er hat Kopfhörer auf den Ohren, steht um sieben Uhr morgens im gläsernen Studio bei Radio Hamburg-Moderator John Ment, draußen huschen die Leute vorbei, die zur Arbeit eilen, und drinnen liest der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg die Verkehrsnachrichten vor: „Bitte weichen Sie auf die Anschlussstelle Fleestedt aus.“

Das sind die Termine, die Pressesprecher den ihnen anvertrauten PolitikerInnen als Imagepflege empfehlen, und von Beust weiß das zu nutzen. Er lacht über die Glosse zum Kultursenator-Desaster, er plaudert über Ditt und Datt, und John Ment kommt aus dem beifälligen Kopfnicken gar nicht mehr heraus. In den Werbe- und Musikpausen Smalltalk: „Schade, Herr Ment, dass Ihre Frau heut nicht da ist.“ Schatzi ist beim gemeinsamen Kind, bedauert es aber sehr, dass sie nicht da sein kann, an dem Tag, an dem der Bürgermeister zu Radio Hamburg kommt. Geht's hier um Politik?

Natürlich. Der Bürgermeister kommt sympathisch rüber, ist die Botschaft, und der Stefan darf über Telefon erzählen, wie von Beust früher als Schüler war. Der Stefan ist der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Stefan Schulz, CDU-Chef von Wandsbek und einer der engsten Vertrauten von Beusts, aber das erfahren die HörerInnen an diesem Morgen nicht. Stattdessen aber, dass Ole früher mal Blockflöte gespielt hat. Ment will den Bürgermeister nötigen, live ein Weihnachtslied zu spielen, aber die Grenze von der Imagewerbung zur öffentlichen Blamage will von Beust denn doch nicht überschreiten. Die Flöte bleibt stumm.

Nach einer Stunde ist alles vorbei, draußen wird es langsam hell, von Beust hat die Nachrichten und das Wetter versprecherfrei vorgelesen und verabschiedet sich in den Senat: Poller müssen rausgerupft, Ex-Bürgermeister mit Olympia-Posten bedacht werden. Es wird ein schöner Tag auf Radio Hamburg.

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