Eigenwilliger Kopist

■ Janssen findet einen Meister. Der grantelige Grafik-Star erkor sich Goya zum Vorbild

Horst Janssen nannte seinen Kater Goya. Wer die Bewunderung der Katzenfreunde für die Eigensinnigkeit ihrer autonomen Gefährten kennt, weiß auch um die Bedeutung der Namensgebung für die Samtpfoten.

Der Grafiker Janssen balancierte nah am Größenwahn und qualifizierte seine lebenden Kollegen allesamt als Dilettanten ab. Doch in Goya – in der Kunstgeschichtsschreibung gilt er als innovativer Solitär – sah der Grantler einen Wahlverwandten. So wie der Norddeutsche „ganz Auge“ sein wollte, erhob Goya mit seinem „Ich-habe-es-gesehen“ den Realismus zum Programm. Und doch ist die Fantastik ein wiederkehrendes Moment im Werk beider Künstler.

Goyas Werke lösen sich formal von Barock und Klassizismus. Gleichzeitig spiegeln sie mit der Kritik an Klerus, Adel und Militär auch die beginnende Aufklärung in seinem Heimatland. Im Stil eines politischen Intellektuellen klagte er mit einer Radierung aus der „Caprichos“-Serie die Praxis der erzwungenen und unlösbaren Ehe an: Über einem aneinander gefesselten Ehepaar flattert ein schauerliches Eulen-Ungetüm mit Brille – ein Symbol für die Halsstarrigkeit der katholischen Kirche, die die Scheidung nicht erlaubte. Janssen kopierte dieses Motiv in der Grafik „Er hat es nicht gesehen – nach Goya“. Doch das bedrohliche Eulentier mutierte bei ihm zu einem diffusen Schwebe-Wesen, dem die gefesselte Ehefrau nicht ganz abgeneigt zu sein scheint.

Dieses Prinzip – Janssen übernimmt ein Motiv, variiert es aber derart, dass vom Inhalt der Vorlage nichts übrig bleibt – findet sich bei vielen der von Goya inspirierten Grafiken. Nicht zufällig wird auf dem Ausstellungsplakat ein kryptischer Satz Janssens zitiert: „Wer das Gegenteil will, kopiert das Original.“ Während Goyas Darstellungen oft um die Gesellschaft kreisen, überführte der 1995 gestorbene norddeutsche Künstler die kopierten Themen seit den späten 60-er Jahren meist in seinen privaten Kosmos.

Goyas Zyklus „Los Desastres de la Guerra“ zeigt die Grausamkeiten des Krieges zwischen den Armeen Napoleons und den spanischen Truppen. Janssen dagegen verarbeitete in einer formal ähnlichen Radierfolge seine persönliche Erfahrungswelt. In „Svanshall verkehrt“ brachte er die Trennung von seiner Freundin Annette als eine Gewaltphantasie zu Papier, ein blutiges Gemetzel zwischen den einheimischen Syltern und der Festlandschickeria.

Welchen Einfluss die Beziehungen zum weiblichen Geschlecht auf die Arbeiten des Grafikers hatten, soll in der folgenden Ausstellung des Oldenburger Museums ausgelotet werden. Der Titel: Janssen und die Frauen. Peter Ringel

„Janssen sieht Goya“. Horst-Janssen-Museum in Oldenburg bis zum 3. März. Di bis So von 10 – 18 Uhr.