: Wieso wegschauen?
Die „Case History“ von Boris Mikhailov zeigt das Leid der Heimatlosigkeit
Die Fotografien von Boris Mikhailov machen es einem nicht einfach. Von wegen schöne Beschaulichkeit. Aber wieso sollte man sich in einer Ausstellung gerade das betrachten, bei dem man in der Wirklichkeit auf der Straße doch gern dezent zur Seite sieht? Diese Hilflosigkeit spiegelt sich auch in dem Vorwurf, dass hier nur wieder einer das Leiden der Menschen visuell ausbeutet für sein eigenes Süppchen. In der Tat: Das ist Elendsfotografie. Mikhailov hält gnadenlos drauf in seiner „Case History“. Gnadenlos für den Betrachter, der dieser Dokumentation einer Krankengeschichte so leicht nicht mehr entkommen kann. Gezeigt wird das Leben und Leiden jener, die nach dem Umbruch in der Sowjetunion von der Gesellschaft einfach ausgespuckt wurden. Obdachlose in Mikhailovs Heimatstadt Charkow in der Ukraine. Und dass der Fotograf seine Protagonisten in den unsentimentalen Inszenierungen gern nackt posieren lässt, schärft nur den Blick für die Verletzlichkeit des Menschen. Sie zeigen unsere Wunde.
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