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Mainzer Medien-Missmut

Substanzlos-kritisch diskutierte die Branche beim 6. Medien-Disput über sich selbst. Immerhin durfte sich Helmut Reitze schon mal ganz kurz als neuer ZDF-Intendant fühlen

MAINZ taz ■ 10 Uhr, Regen. Auf dem Lerchenberg hängen bunte ZDF-Fahnen schlaff zwischen den tiefer gelegten Wolken herum. Ähnlich düster wie das Wetter ist offensichtlich auch der Journalismus, der hier einen Tag lang durch die Mangel gedreht und schwarz gemalt wird.

Dabei geht alles sehr komisch los: Veranstaltungsmoderator Uli Röhm kündigt in vorauseilendem Gehorsam den stellvertretenden ZDF-Chefredakteur Helmut Reitze schon mal als den „Hausherrn“ an. So schnell kann’s gehen, kaum ist man Favorit der Unionsparteien für den Posten des ZDF-Intendanten, hat man schon das ganze Haus am Hals. Sich der Pikanterie des Themas bewusst, stellt Reitze jedoch sofort klar, dass er den bis März amtierenden Hausherrn Dieter Stolte lediglich vertrete. Doch die anstehende Wahl scheint immer wieder auf, am Nachmittag macht der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) seinem Missfallen über die Intendantenposse Luft: „Es ist eine bejammernswerte Situation, unglücklich bis zum Gehtnichtmehr.“ Und so ist auch Beck, der Verwaltungsratvorsitzende des ZDF, mittlerweile skeptisch, ob wie geplant bereits am 6. Dezember die Entscheidung fällt – bisher haben jedenfalls weder CDU-Kandidat Reitze noch die NDR-Journalistin Dagmar Reim, Favoritin des sozialdemokratischen Spektrums, die nötigen Stimmen im ZDF-Fernsehrat auf ihrer Seite.

Kandidat Reitze hat dafür journalistisch Missliches zu verkünden: Das ZDF will seine Berichterstattung aus Afghanistan einschränken. Denn nach den jüngsten Morden an Reportern könne keine Sicherheit mehr garantiert werden. 500 Zuhörer schauen betroffen, der Regen lässt nicht nach.

In die um sich greifende Weltuntergangsstimmung platziert der Publizist Klaus Harpprecht pointiert seine Journalismuskritik, klagt über die Macht der Bilder und der Macher. Und fragt sich, ob wir bei der „Schwemme der Talkshows und Geröllmassen der Zeitungen“ nicht schon „armselige Geschöpfe der Schwätzergesellschaft“ geworden sind. Fast alle nicken. Journalisten sind wohl nicht im Raum.

Dafür Arno Luik. Der Stern-Mitarbeiter fördert den anschwellenden Pessimismus mit TV-Horrorszenarien. Bald 200 Programme, muss das wirklich sein? Luik schnappt nach Luft. Und die Frau in Strapsen, die sich nachmittags vor laufender Kamera einen Vaginaabdruck machen lässt? Luik entpuppt sich als Apokalypse auf zwei Beinen, bis sein Widerpart, Ministerpräsident Beck, darum bittet, auch mal ausreden zu dürfen. Und die trübe Medienlage endlich mal in unreißerische Wort fasst. Ja, er sehe auch, dass das Niveau gefährdet sei, nur noch die Quote zähle. Aber eben auch, dass Programme, die auf den „Kick der Reize“ setzen, oft reichlich kurzlebig sind – und dem Zuschauer hier und da wieder Appetit auf Qualität machen. Draußen scheint ein bisschen die Sonne durch, ganz schwach.

Doch sonst jagt ein Tiefdruckgebiet das nächste: Junge Journalisten lernten ihr Handwerk nicht mehr richtig, beklagt etwa Michael Jürgs von der Woche. Im Onlinejournalismus habe man Qualität verschenkt, stellt Kirsten Haake von der FTD fest. Und der Wirtschaftsjournalismus verliere schleichend an Glaubwürdigkeit, da er nur noch mediengerecht aufgemotzten Content für Zielgruppen liefere und unter dem Druck der Unternehmen stehe, kritisiert die Medienwissenschaftlerin Claudia Mast. Manager-Magazin-Chefredakteur Wolfgang Kaden gibt zwar zu, dass zunehmend der Nutzwert in den Mittelpunkt rücke, warnt aber vor übertriebener „Schwarzseherei.“ – Vergebens.

Doch schließlich ist Schluss. Immerhin regnet es nicht mehr. Bloß ganz dunkel ist es jetzt, auch draußen. Und so manchem Teilnehmer wird wohl klar: Nur schlechtes Wetter ist schlimmer als Selbstmitleid. JUTTA HEESS

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