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Ein geregelter Staatsbankrott

Entwicklungsverbände begrüßen den Vorschlag des Internationalen Währungsfonds, ein Insolvenzrecht für Staaten einzuführen. Sie fordern aber ein neutrales Schiedsgericht. Der IWF sei ungeeignet, weil er die Interessen der Gläubiger vertrete

von KATHARINA KOUFEN

Der Plan des Internationalen Währungsfonds (IWF), sich für die Einführung eines Insolvenzrechts für Staaten einzusetzen, stößt bei den Entwicklungsverbänden auf Zustimmung. „Wir hätten nicht im Traum daran gedacht, dass wir das noch erleben“, sagte Peter Wahl vom Verband Weltwirtschaft, Umwelt und Entwicklung (WEED) gestern der taz. Auch Jürgen Kaiser von der Erlassjahrkampagne, die sich seit Jahren mit der Schuldenproblematik befasst, „begrüßt den Vorschlag grundsätzlich“.

Die unter Präsident Bush neu angetretene IWF-Vizechefin Anne Krueger überraschte mit ihrem Vorschlag angeblich selbst ihre eigenen Kollegen. Krueger möchte hoch verschuldeten Staaten die Möglichkeit einräumen, Gläubigerschutz zu beantragen. Während dieser Zeit bräuchte das Schuldnerland keine Zinsen und Tilgungsraten zu zahlen. Gleichzeitig sollten Kapitalkontrollen verhindern, dass private Gläubiger, also Banken, Fonds und Kleinanleger, ihr Geld außer Land bringen und es zu einer Finanzkrise kommt. Das Schuldnerland müsste sich im Gegenzug dazu verpflichten, seine Verbindlichkeiten „zeitnah und effizient umzustrukturieren“, sagte Krueger Anfang der Woche in Washington. Dazu könne auch ein Schiedsgericht eingesetzt werden.

Bisher sieht die Praxis so aus: Gerät ein Land in Zahlungsschwierigkeiten, gewährt der IWF einen kurzfristigen Kredit, damit das Land weiterhin Zinsen und Tilungsraten zahlen kann. Nach einer Frist von meist einem Jahr muss der Kredit jedoch an den IWF zurückgezahlt werden – verzinst. „Diese kurzfristige Hilfe des Fonds führt mittelfristig nur zu noch mehr Schulden“, lautet daher das Argument vor allem linker IWF-Kritiker. Ein weiterer Kritikpunkt: Diese Politik verführe Anleger dazu, in blindem Vertrauen riskante Schuldpapiere zu kaufen – schließlich garantiert im Krisenfall ein IWF-Kredit die Rückzahlung.

Die Kritik an der herrschenden IWF-Politik kommt jedoch nicht nur von links. Anne Krueger etwa ist Republikanerin. Ihr Vorschlag steht im Geiste einer Studie zur IWF-Reform, die im Jahr 2000 von den Republikanern in Auftrag gegeben wurde. Die Autoren argumentieren, es verzerre den Markt, wenn der Fonds bankrotte Länder mit Krediten künstlich am Leben erhalte. Dies will Krueger mit einem Insolvenzrecht künftig unterbinden.

Kruegers Position ist jedoch umstritten: Der deutsche Finanzminster, der die Bundesrepublik im Fonds vertritt, steht einem solchen Insolvenzrecht skeptisch gegenüber. Ein Sprecher des Ministeriums sagte, man habe Bedenken, dass neue Bürokratien geschaffen werden müssen. Die Kritiker des Vorschlags führen außerdem an, ein bankrottes Land verliere auf Dauer seine Kreditwürdigkeit. Das für die Weltbank zuständige Entwicklungsministerium hingegen setzt sich schon lange für ein Insolvenzrecht ein, ebenso die Grünen, die Mitte Oktober ein Eckpunktepapier zum Thema in den Bundestag einbrachten.

Umstritten sind auch die Details des Krueger-Vorschlags. „Der IWF ist selbst Gläubiger und kann daher nicht Insolvenzrichter in eigener Sache sein“, kritisiert die Erlassjahrkampagne. WEED schlägt vor, es müsse eine neutrale Instanz geschaffen werden, in der auch die UNO vertreten sein soll.

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