Raus aus dem Schuhkarton

Am Anfang war das Wirrwarr. Aus den entlegensten Gegenden hatten Forscher, Missionare und Händler Fotografien nach Bremen mitgebracht. Die Bilder landeten in zwölf alten Schränken im Überseemuseum. Im Laufe der Jahre sammelten sich so 55.000 Papierabzüge, Glasplattennegative und Diapositive an, verpackt in Kisten, Kartons und Tütchen.

Viele Fotografien sind über 100 Jahre alt und vom Verfall bedroht. Zur Rettung der Bilder wird zur Zeit eine Schneise in das Durcheinander geschlagen. Die Bestände werden nach Alter, Ort und Fotografen erfasst und wandern nach und nach in Stahlschränke, in denen Temperatur und Luftfeuchtigkeit reguliert werden können. Sybille Seybold, die das Archivierungs-Projekt leitet, überlief manchmal „ein ehrfürchtiges Zittern“, wenn sie ein Kästchen öffnete und „plötzlich Bilder eines berühmten Fotografen in den Händen“ hielt. Aus den 20 000 bereits bearbeiteten Papierabzügen wählte sie 250 Fotografien aus, die jetzt in einer Sonderausstellung des Überseemuseums präsentiert werden.

Neben den Bildern, die die Ausstellungspraxis des Überseemuseums in den letzten hundert Jahren vermitteln, werden Aufnahmen von berühmten Fotografen gezeigt. Wegen der Fülle des Materials beschränkte sich Seybold auf einen Anfangsbuchstaben: Fotografien von Felix Bonfils, Samuel Bourne und von den Burton Brothers zeigen Szenen des neunzehnten Jahrhunderts aus Neuseeland, Indien oder dem Nahen Osten.

Die Bilder verdeutlichen sowohl den europäischen Blick auf die kolonialisierten Länder, als auch das Leben der Europäer in den Kolonien: Das Foto einer Lok, die von den Gleisen in den Wüstensand des heutigen Namibia purzelte, betitelte ein unglücklicher deutscher Bahnmeister wie folgt: „Meine umgestürzte Olga – Ruhe sanft.“ pr

„Alt und Scharf“ im Überseemuseum vom 2. Dezember bis 3. Februar. Eröffnung morgen um 11 Uhr 30.