: Taliban im Endkampf
Schlacht um Kandahar beginnt. US-Verteidigungsminister Rumsfeld: „Schmutzig und unangenehm“
Die Schlacht um Kandahar hat begonnen. Oppositionseinheiten rückten gestern von Norden und von Südosten auf die südafghanische Stadt vor, US-Kampfflugzeuge flogen massive Bombeneinsätze. Taliban-Sprecher wiesen Berichte zurück, Oppositionseinheiten hätten bereits Teile des Flughafens von Kandahar unter ihre Kontrolle bekommen.
Tausende Zivilisten flüchteten aus der Stadt. Wie der Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sagte, sind seit der Intensivierung der Kämpfe letzte Woche rund 8.000 Menschen nach Pakistan geflohen – rund 2.000 am Tag. Die Flüchtlinge berichteten, in Kandahar und auf den Straßen Richtung Pakistan herrsche Chaos und Angst.
US-Militärexperten erwarteten einen Sturm auf die Stadt in zwei, drei Tagen. Etwa tausend US-Elitesoldaten, die seit acht Tagen gut 80 Kilometer südöstlich von Kandahar auf ihren Einsatz warten, bauten ihre Stellungen aus. Es sei aber noch unklar, ob US-Soldaten an einem Sturm auf Kandahar teilnehmen oder afghanische Oppositionskräfte lediglich logistisch unterstützen. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sprach von einer „sehr gefährlichen Phase“ des Krieges. Es stehe eine „schmutzige und unangenehme“ Aufgabe bevor.
Unklar ist, wie viele Taliban- und Al-Qaida-Kämpfer in der eingekesselten Stadt aushalten. Taliban-Chef Mullah Mohammed Omar organisiere persönlich die Verteidigung der Stadt, meldete die pakistanische Nachrichtenagentur NNI. Er habe sich in einem Vorort verschanzt. „Wir werden bis zum Letzten kämpfen“, sagte Kandahars Gouverneur Mullah Hassan Rehmani. Der ehemalige stellvertretende Taliban-Innenminister Chaksar sagte, die Taliban würden eher sterben, als sich zu ergeben. Die blutige Niederschlagung der Gefangenenrevolte im Gefängnis Kala Jangi bei Masar-i Scharif habe sie darin bestärkt.
US-Elitesoldaten sind nach Angaben der islamischen Nachrichtenagentur AIP auch in der Nähe von Dschalalabad gelandet. Hubschrauber hätten etwa 25 Soldaten in der Region um die ostafghanischen Stadt abgesetzt, wo sich möglicherweise Terrorchef Ussama Bin Laden versteckt. US-Flugzeuge bombardierten Höhlen in der Gegend, vor allem Tora Bora, in der Bin Laden vermutet wird.
Das US-Verteidigungsministerium wies Berichte zurück, dass bei den Bombardierungen dutzende Zivilisten getötet worden seien. Unter Berufung auf den Polizeichef der Provinz hatte AIP berichtet, bei US-Luftangriffen auf Tora Bora und die umliegende Gegend seit Sonntagabend seien schätzungsweise 58 Menschen getötet worden. Das US-Oberkommando teilte mit, es seien nur militärische Ziele getroffen worden.
Das Pentagon ist der Überzeugung, es könne Bin Laden an seinem Geruch erkennen. Ein so genannter Ferngeruchsdetektor werde eingesetzt, der Gerüche analysiere, die aus Höhlen nach draußen dringen. „Die Riechanlage ist so sensibel, dass sie zwischen den Gerüchen der verschiedenen Ethnien anhand der unterschiedlichen Lebensmittel, die sie zu sich nehmen, unterscheiden kann“, sagte Pentagon-Experte John Shroder. Unklar blieb, wie das Gerät auf die von der US-Luftwaffe abgeworfenen Nahrungsmittelpäckchen reagiert, die unter anderem Erdnussbutter enthalten.
AFP, DPA, TAZ
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