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„2001 – ARD-Jahresrückblick“

(Di, 20.15 Uhr)

Beckmann moderierte eine wahrlich spannende Mischung. Schon in der ersten Gesprächsrunde mit Studiogast Boris Becker erfährt man, was im Leben so schief gehen kann: Boris’ Liebe mit Babs ebenso wie die Sache mit Israel und Palästina. „Es geht ja alles drunter und drüber“, kommentiert Becker scharfsinnig. Damit hat der Mann gar nicht so Unrecht. Was sollen wir in Beckmanns Jahresrückblick bloß wichtiger finden? Dass Veronica Ferres endlich weiß, wie gut die Babynahrung einer dezent erwähnten Marke schmeckt? Dass Beckmann sich wie ein Schneekönig über „die neue Mütterlichkeit“ freut und sich „vorstellen kann, dass es Babys von Karrierefrauen richtig gut geht“? Oder dass er sich besorgt bei Otto Schily erkundigt, ob er denn keine Bedenken hege, weil Applaus für sein Sicherheitspaket hauptsächlich von rechts erfolgt? Egal. Veronica lächelte selig in die Kamera. Und Otto erklärte gern noch mal für alle, die es noch nicht begriffen haben, warum „mehr Härte zeigen“ angebracht ist. Beckmann signalisierte verständnisinnig, dass das Schicksal mal hier, mal da zuschlägt.

Nein, bei diesem Themen-Mix können wir nicht meckern. Ein bisschen Gefühlsakrobatik (ach ist das rührend, wenn Sportmediziner Gerlach im Fußballstadion Klaus Völlers Vater, der in den Zuschauerreihen eine Herzattacke erlitt, rettet – und Beckmann auf Gerlachs Erläuterung, dass dieser kein Lebenszeichen mehr zeigte, geistesgegenwärtig in Pastor-Fliege-Manier nachharkt: „Das heißt, kein Puls mehr?“), dann ein bisschen Terror am 11. September in New York – was will man mehr?

Am meisten beeindruckt jedoch die erstaunliche Aktualität des Rückblicks. Die ARD hat das Rennen geschafft, liegt haarscharf vor Aiman Abdallah (Pro 7), Kai Pflaume (Sat 1), Johannes B. Kerner (ZDF) und Günther Jauch. Sehen wir also über die Stumpfsinnigkeit der Gespräche großzügig hinweg! Wie soll der arme Beckmann auch am 4. Dezember bereits wissen, welche Ereignisse uns 2001 bewegten? Trotzdem: 2002 wollen wir den Jahresrückblick im Juli. Lebkuchen gibt es schließlich auch direkt nach dem Sommerurlaub im Supermarkt. Dann nehmen wir jedes noch so ungereimte Gestammel hin. Versprochen.

GITTA DÜPERTHAL

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