: Laternen auf der Todespiste
Stresemannstraße: Erste Anwohner-Demonstration gegen Schwarz-Schills Pläne zur Verkehrsbeunruhigung ■ Von Sven-Michael Veit
Nach nur sechs Wochen Schwarz-Schill-Senat in Hamburg beginnt wieder zusammenzuwachsen, was vor nicht langer Zeit noch zusammengehörte. Zum Beispiel gestern Nachmittag auf der ersten Demonstration gegen die geplante Vierspurigkeit der Stresemannstraße in Altona. Die AnwohnerInnen-Intiative hatte gerufen, mehr als 1000 Menschen kamen. Darunter VertreterInnen mehrerer Umweltschutzverbände, von GAL und Regenbogen.
„Der Senat soll wissen, dass Tempo 30 und die Busspuren uns wichtig sind“, rief Monika Rulfs von der Strese-Ini in das Megaphon, das der grüne Ex-Bürgerschaftsabgeordnete Martin Schmidt für sie hielt. Ein tödlicher Unfall „wie mit Nicole darf sich nicht wiederholen“, stellte Rulfs auf der Kundgebung auf der Kreuzung zur Juliusstraße klar. Genau hier war am 27. August 1991 die elf-jährige Nicole auf dem Zebrastreifen von einem zu schnell fahrenden Lkw getötet worden. Nach massiven monatelangen Protesten der AnwohnerInnen waren auf der vierspurigen „Strese“ zwischen Pferdemarkt und Holstenbahnhof Tempo 30 und zwei Busspuren eingeführt worden.
Seitdem wurde hier niemand mehr überfahren. Die Zahl der Autos halbierte sich fast auf immer noch rund 25.000 täglich, die Luftbelastung auf der noch Anfang der 90er Jahre „giftigsten Straße Deutschlands“ reduzierte sich auf weniger als die Hälfte. Der neue Rechtssenat will diese Verkehrsberuhigung auf der durch ein dichtbebautes Wohngebiet führenden Bundesstraße wieder rückgängig machen. Dies hatte Bausenator Mario Mettbach (Schill) hatte vor zwei Wochen bei einem Gespräch mit der Initiative bekräftigt.
Bereits Mitte November hatte die Initiative ein Bürgerbegehren gegen diese Pläne eingereicht, das inzwischen „fast 4000 Menschen unterschrieben haben“, freute sich Rulfs gestern. Am nächsten Mittwoch will ein Bündnis aus 15 Vereinen und Organisationen Mettbach im Rathaus einen „verkehrspolitischen Forderungskatalog“ überreichen. Darin werden die automobilen Vorhaben des Rechtssenats heftig kritisiert, wie Walter Brecker vom BUND unter dem Beifall der KundgebungsteilnehmerInnen ankündigte.
Zumindest gestern für eineinhalb Stunden zwischen 17.30 und 19 Uhr bot die Stresemannstraße ein Bild, von dem die AnwohnerInnen sonst nur träumen können: Keine Autos, kein Gestank, und die einzigen, die lärmten, waren mehr als 100 singende Kinder mit Laternen.
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