: Ein bankrottes Land als Beute
Libyen und Sudan wetteifern mit den ehemaligen französischen Kolonien Zentralafrikas um die Macht in der kriselnden und rohstoffreichen Zentralafrikanischen Republik
BERLIN taz ■ Die Zentralafrikanische Republik, seit Jahren Schauplatz regelmäßiger Armeemeutereien, wird zum regionalen Zankapfel. Sudan und Libyen leisten sich einen Wettbewerb mit den frankophonen Staaten der Region um die Frage, wer das krisengeschüttelte Land in ihrer Mitte am besten befrieden kann.
Kern des Problems ist, dass der gewählte Präsident der Zentralafrikanischen Republik, Ange-Felix Patassé, immer mehr tatsächliche oder imaginäre Putschversuche aus den Reihen des eigenen Militärs abwehren muss. Den letzten Putschversuch von Soldaten gab es Ende Mai. Patassé holte sich Truppen aus Libyen und Rebelleneinheiten aus dem Kongo zu Hilfe. Das stieß auf Protest bei der politischen Opposition, die daraufhin vom Präsidenten als „Putschisten und Terroristen“ beschimpft wurde.
Patassés Verteidigungsminister Jean-Jacques Demafouth, der die Kongolesen geholt hatte, wurde Ende August selber entlassen und verhaftet – unter dem Vorwurf des Putschversuchs. Starker Mann der Armee wurde daraufhin François Bozizé, ein alter Gefährte Patassés. Ende Oktober wurde auch Bozizé entlassen – unter dem Vorwurf des Putschversuchs. Als Bozizés Soldaten sich der Festnahme ihres Chefs widersetzten, holte Präsident Patassé weitere libysche Soldaten.
Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi sieht die Zentralafrikanische Republik, deren Hauptstadt Bangui ein wichtiges Zentrum des regionalen Mineralienhandels ist, als Sprungbrett ins rohstoffreiche Herz Afrikas. Auf Gaddafis Initiative versammelten sich Anfang dieser Woche mehrere Präsidenten der von Libyen gegründeten Regionalorganisation Comessa (Gemeinschaft der Sahel- und Sahara-Staaten) in Sudans Hauptstadt Khartum. Sie beschlossen die Entsendung einer Friedenstruppe und die Gründung eines Verhandlungskomitees unter dem Vorsitz des Sudan.
Dies gefällt den frankophonen Nachbarn des Landes nicht, allen voran der Tschad, der sich historisch gegen territoriale Gelüste Libyens wehrt. Tschads Regierung, früher mit Patassé verbündet, nahm Anfang November eindeutig gegen den zentralafrikansichen Präsidenten Partei: Sie gewährte dem flüchtigen Armeechef Bozizé Asyl und empfing ihn in der Hauptstadt Ndjamena. Währenddessen machen Bozizés Getreue den Nordwesten der Zentralafrikanischen Republik unsicher.
Auf Initiative des Tschad kam zeitgleich zum Khartumer Gipfel ein Konkurrenzgipfel der „Zentralafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft“ (Cemac) zusammen, die die ehemaligen französischen Kolonien der Region vereint. Das Treffen in Gabuns Hauptstadt Libreville beschloss, eigene politische Vermittlungsversuche zu starten. Während Libyen und Sudan auf Militär setzen, betonte der Gabun-Gipfel die Notwendigkeit einer politischen Aussöhnung in Bangui. „Patassé liebt den Dialog; es gibt keinen Chef, der Dialog ablehnt, und wenn man Chef sein will, muss man immer Dialog führen“, mahnte Gabuns Präsident Omar Bongo.
Von einer raschen Umsetzung der beiden Gipfelbeschlüsse ist bislang keine Rede. Aber die Frontlinien eines regionalen Kräftemessens sind gezogen. Jetzt entscheidet sich, ob das frankophone Zentralafrika als politische Kraft noch existiert oder ob die Achse Tripoli-Khartum ihren Einfluss in Afrika ausdehnt. DOMINIC JOHNSON
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