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Arafat geht gegen Extremisten vor

Israel setzt seine Angriffe auf palästinensische Gebiete aus, um dem PLO-Chef Zeit für Festnahmen zu geben. In Gaza kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern von Hamas und der Polizei. Ägypten bemüht sich um Vermittlung

GAZA/JERUSALEM/KAIRO dpa/rtr ■ Palästinenserpräsident Jassir Arafat hat unter dem starken Druck Israels und der internationalen Gemeinschaft weitere Massenverhaftungen von Extremisten und mutmaßlichen Attentätern im Gaza-Streifen und im Westjordanland vorgenommen. Palästinensische Geheimdienste und die Polizei in den Autonomiegebieten verhafteten nach unabhängigen Angaben seit Mittwoch etwa 200 mutmaßliche Extremisten.

Allein in Ramallah seien innerhalb von 24 Stunden etwa 70 Aktivisten der Hamas und der extremistischen Gruppe Islamischer Dschihad (Heiliger Krieg) verhaftet worden, berichteten unabhängige Beobachter in der Stadt. In Gaza wurden 25 Hamas-Aktivisten festgenommen.Unbestätigten Berichten zufolge nahm die Polizei in Gaza den Sprecher der radikalen Hamas- Organisation, Abdel Asis Rantisi, und einen weiteren Führer der radikalen Organisation fest.

Israel hatte am Mittwoch weitere Angriffe der Armee zunächst für zwölf Stunden ausgesetzt, um Arafat mehr Zeit für die Festnahmen zu geben. Die Palästinenser lehnten jedoch die Forderung Israels nach der Verhaftung von 36 von Israel gesuchten Extremisten zumindest öffentlich ab.

In der Stadt Gaza kam es in der Nacht zu Donnerstag zu schweren Ausschreitungen von Hamas-Anhängern. Als bekannt wurde, dass die Autonomiebehörde den gelähmten geistlichen Hamas-Führer Scheich Ahmed Jassin unter Hausarrest gestellt hatte, forderten Hamas-Aktivisten über die Lautsprecher der Moscheen dazu auf, zum Haus des gelähmten Hamas-Chefs zu kommen, um ihn zu beschützen. Bei den mehrere Stunden dauernden Protesten und Straßenschlachten wurde nach Hamas-Angaben ein Demonstrant getötet. Nach Aussagen seiner Familie wurde der 23-jährige Mohammed Selmi von Polizeigeschossen im Rücken getroffen und tödlich verletzt. Die Ausschreitungen gingen auch während des Tages weiter. Während der Zusammenstöße riefen gemäßigte Hamas-Anhänger die Demonstranten auf, keine Gewalt gegen die Polizei anzuwenden. Nach den Ausschreitungen demonstrierten mehrere tausend Anhänger der Fatah-Organisation von Jassir Arafat für die Maßnahmen der Autonomiebehörde.

Wegen der Eskalation der Gewalt bemüht sich nun Ägypten, zwischen Israel und den Palästinensern zu vermitteln. Außenminister Ahmed Maher reiste zusammen mit dem ägyptischen Geheimdienstchef Omar Suleiman überraschend zu Gesprächen mit Israels Ministerpräsident Ariel Scharon und Palästinenserpräsident Jassir Arafat in die Region. Die Reise Mahers kam nach Angaben von Diplomaten zu Stande, nachdem Scharon noch in der Nacht einen Vertreter nach Ägypten entsandt hatte. Der ägyptische Präsident Husni Mubarak sei „mit Arafat und der Palästinenserbehörde nicht sehr zufrieden“, verlautete aus europäischen Diplomatenkreisen in Kairo. Maher wolle der Palästinenserbehörde klar machen, dass sie ihren Teil zur Entschärfung der Lage beitragen müsse.

Auch der US-Gesandte Anthony Zinni setzte seine Bemühungen fort, ein Ende der Gewalt zu erreichen. Am Mittwoch traf der US-Gesandte mit Scharon und am Donnerstag mit dem israelischen Außenminister Schimon Peres zusammen. Nach den Selbstmordanschlägen von Palästinensern in Jerusalem und Haifa am Wochenende und den massiven israelischen Vergeltungsaktionen hatte der US-Diplomat seine Aktivität zunächst zurückgeschraubt. US-Außenminister Colin Powell sagte, im Moment fehle für Zinni die Grundlage, mehr zu tun. „Aber die Hoffnung verliere ich nicht“, sagte Powell auf dem Flug zu einem Nato-Treffen in Brüssel.

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