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Oberliga ganz unten

Sieben Berliner Vereine kicken in der Oberliga. Den meisten von ihnen geht es miserabel, weil Sponsorengelder ausbleiben. Bei den Reinickendorfer Füchsen denkt man sogar an Selbstabstieg

von JÜRGEN SCHULZ

Die Berliner Vereine in der nordostdeutschen Fußball-Oberliga stecken in der Krise. Nicht nur die 0:2-Heimniederlage seiner Reinickendorfer Füchse im Spitzenspiel gegen Lokalrivale Tennis Borussia Berlin am Samstag vergällte Rainer Klug die Laune. „Wir sind für das breite Publikum völlig uninteressant“, sagt der Präsident der Füchse.

Ihm ist nicht entgangen, dass die große Mehrheit der rund 600 Zuschauer Anhänger der Charlottenburger Gäste waren. Trotz einer Platzierung im Vorderfeld denken die deprimierten Füchse ernsthaft über einen freiwilligen Rückzug in die eine Klasse tiefere Berliner Verbandsliga nach. Das würde die Kosten reduzieren. „Der Oberliga-Fußball in Berlin ist ein Pflänzchen ohne fruchtbaren Boden. Die Situation ist dramatisch“, klagt Kluge. Wie den Reinickendorfer Kickern, die vor wenigen Jahren noch einen Lizenzantrag für die 2. Liga stellten, geht es fast allen sieben Hauptstadtvertretern in der vierthöchsten Klasse.

Die wirtschaftliche Krise in der Metropole schlägt auf den Sport durch. Sponsoren sind äußerst rar. So mussten die Füchse ihren Haushalt binnen weniger Jahre von fast 2 Millionen auf 300.000 Mark abschmelzen. TeBe ist froh, überhaupt noch am Leben zu sein, nachdem die Borussen unter der Knute des Finanzkonzerns „Göttinger Gruppe“ argen Schaden nahmen. Neidisch blickt die Konkurrenz auf Neuling Lichtenberg 47, dessen Brust der Werbeschriftzug eines börsennotierten Unternehmens ziert. „Ohne finanzielle Sorgen können eigentlich nur die Amateure von Hertha BSC spielen, die von ihrer Profiabteilung finanziert werden“, sagt Michael Bartscheck, 2. Vorsitzender beim Berliner AK. Die Weddinger laufen Gefahr, als zweiter Vertreter Berlins nach Konkurs-Klub BFC Dynamo den Spielbetrieb vorfristig einstellen zu müssen. „Uns fehlen 100.000 Mark. Ich versuche jeden Tag, Sponsoren zu finden, aber es ist zum Verzweifeln“, berichte der Finanzbeamte. Um das Schlimmste zu vermeiden, wird sich der BAK in der Winterpause von Spielern trennen.

Dem Berliner Fußball droht die Basis wegzubrechen. „Das Geld fließt nur in eine Richtung, zu den Profivereinen“, sagt Klug von den Füchsen. Hertha BSC und der 1. FC Union ziehen Geldgeber an. Für den Rest bleiben Peanuts. Von den 12.000 Mark pro Verein aus der Verbandskasse ist in der Oberliga kein Staat zu machen. Misswirtschaft kommt hinzu. „Wenn alle halbe Jahre der Vorstand wechselt, bekommt man keine Strukturen in den Verein“, sagt Beklan Coskun.

Der 39-Jährige sprang im Oktober bei Türkiyemspor als Sportlicher Leiter ein, als in Kreuzberg (mal wieder) alles den Bach hinunterzugehen drohte. Das Vereinskonto war gepfändet worden, Sponsoren und Mitglieder verließen das sinkende Schiff. „Jetzt versuchen wir den Verein zu sanieren“, so Coskun, der dem Vorstand schon in besseren Türkiyem-Zeiten angehörte, als der Klub aus dem Viktoriapark sogar an die Pforte zur 2. Liga klopfte. „Jetzt zählt nur noch der Klassenerhalt“, betont Coskun.

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