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„Ich glaube an den Mix der Stile“

Martin Waller ist Geschäftsführer einer Designerfirma. Er bekennt sich zum Ethnodesign und ist leidenschaftlicher Sammler von Farben, Formen und Materialien zahlreicher Regionen. Seine Vorliebe: arabische Opulenz – zurzeit freilich nicht so gefragt

von SABINE BERKING

taz: Sind unsere Wohnungen Museen unserer Sehnsüchte?

Martin Waller: In gewisser Weise schon. Sie sind Reflexionen der Persönlichkeit, der Interessen und unseres Sehnens und Trachtens. Sie spiegeln die soziale Position, den kulturellen Hintergrund, das Einkommensniveau und die berufliche Tätigkeit.

Wie wichtig ist Inneneinrichtung heute, wo so viele Leute ständig in Bewegung sind, in Hotels wohnen und häufig umziehen?

Die Stellung von Wohndesign wird überschätzt. Wohndesign ist ursprünglich etwas Triviales wie der Sport. Es ist eine kulturelle Errungenschaft, wenn das Triviale zum Bedeutenden wird. Dazu brauchte es in einer Gesellschaft Frieden, Stabilität, ein gewisses Maß an Müßiggang, einen bestimmten Wohlstand. Wenn wir nach Pompeji reisen, was wollen wir dort sehen? Die alten Mosaike, das Design.

Haben Sie einen Lieblingsstil?

Ich liebe orientalische Gegenstände, ihre Opulenz, ihre Farben. Neuerdings begeistere ich mich für afrikanisches Design. Ich glaube an den Mix der Stile, ich bin gegen eine puristische Wiedergabe.

Erinnert heute der Schleier nicht eher an islamischen Fundamentalismus denn an „Tausendundeine Nacht“?

Daran kann man sehen, dass Design von allem beeinflusst wird. Früher war Arabien ein Märchen mit der Konnotation von sexueller Verführung. Selbst in den 20er-Jahren, in den Filmen von Valentino, stand es für eine große Romanze. Jetzt wird es ganz anders gesehen. Ich würde heute nicht unbedingt ein orientalisches Design anbieten. Aus kommerzieller Sicht wären wir nicht eins mit der öffentlichen Meinung. Das ist, als hätte man deutsches Design im Zweiten Weltkrieg verkaufen wollen. Aber das hält nicht lange vor. Arabien hat einen solchen Reichtum an Ornament und Schriften, bald wird es ein enormes Comeback des Orients im Design geben.

Ist das Bewusstsein von gutem Geschmack ein Privileg der Reichen? Das Attribut einer Elite?

Nein. Geschmack ist eine flüchtige Erscheinung, die man nicht einfangen kann, die von so vielen Dingen beeinflusst wird. Ich bin ein bisschen müde, den Begriff des guten Geschmacks zu diskutieren. Was im Westen als schön empfunden wird, kann andernorts ganz anders empfunden werden. Es hängt immer vom Blickwinkel ab.

Hat das moderne Reisen unseren Sinn für das Andere, das Fremde, verdorben oder geschärft?

Die Erwartung, dass man eine andere Kultur durch Reisen wirklich verstehen kann, ist unrealistisch. Man kann doch ein Land wie Amerika nicht begreifen, wenn man mal kurz dorthin fährt. Die großen Entdecker haben wenig von den Kulturen gesehen, die sie entdeckten. Ich habe mehr von Afrika gesehen als Livingstone und mehr von China als Marco Polo, aber ich würde nicht sagen, dass ich Afrika oder China wirklich kenne.

Wir kaufen exotische Dinge, die für uns, für den Westen, hergestellt sind. Rituelle Objekte werden so Dekoration?

Buddhas sind ein gutes Beispiel. Wir mögen sie als attraktive Gegenstände, aber wir mögen auch die Vorstellung, das sie so etwas wie eine Ernsthaftigkeit, eine authentische Kraft haben. Etwas von dieser authentischen Kraft färbt auch auf uns ab. Afrikanische Schnitzarbeiten, alte chinesische Porträts. Die Leute lieben es, dass in diesen Dingen eine bestimmte Bedeutung angelegt ist, und ich glaube nicht, dass das ganz verschwindet, nur weil sie verkauft und in den Westen gebracht wurden.

Haben Gegenstände aus indigenen Kulturen mehr von dieser „authentischen Kraft“ und Bedeutung für uns?

Nein, das glaube ich nicht. Im Westen sind diese Sachen nur sehr teuer, aber wenn Sie eine Gutenberg-Bibel kriegen könnten, dann würden Sie die doch wollen. Die Leute schauen nach dem Osten und Afrika, weil solche Gegenstände dort erschwinglicher sind, erreichbarer.

Wir holen uns Afrika oder den Orient nach Hause. Ist dabei nicht immer auch ein Rest kolonialer Blick im Spiel?

Das ist komplizierter. Ich würde die Frage umdrehen. Was ist denn, wenn Afrikaner sich italienisches Design kaufen, sich westlich einrichten? Die Leute hatten seit je ein Interesse an Dingen, die aus der Ferne kamen. Im alten Rom war man fasziniert von chinesischer Seide, die war teurer als Gold. Sie meinen doch, da schwingt eine herablassende Sicht auf diese Kulturen mit. Aber schauen Sie sich mal die langen Reihen von Büchern über afrikanische Kunst in den Bibliotheken an. Ich denke, es existiert ein echtes Interesse an fremden Kulturen, ganz verschieden von dem des Kolonialismus. Ich glaube auch nicht, dass dieses Interesse ein Erbe des Kolonialismus ist. Kolonialismus war Monokulturalismus. Wenn wir über amerikanische Monokultur reden, meinen wir Coca-Cola, McDonald’s und Madonna und dass alles gleich aussieht. Kolonialismus meinte ein kleines England in Afrika, Kirchen, Bahnstationen wie die in England. Aber was wir jetzt erleben, ist genau das Gegenteil.

Inwiefern?

Wir versuchen doch nicht mehr, Afrika zu christianisieren, wir wenden uns dieser Kultur und ihren Werten zu. Natürlich nicht jeder von uns. Ich finde die Kunst des Yoruba-Stammes in Nigeria interessant, andere denken einfach, das sind schöne Gegenstände, das Interesse zeigt sich eher unbewusst. Aber das ist genauso, wenn Leute ein Stück roten Samt kaufen, dann denken die auch nicht gleich an Moulin Rouge.

Was ist Global Design, wenn wir es in einem Atemzug nennen mit Global Market, Global Economy?

So etwas wie Global Design war immer da. Wir Designer sind Händler, sind Krämer. Produkte herzustellen, die Leuten gefallen, ist die Basis des Handels. Nehmen Sie die Hafenstadt Alexandria, das war ein Umschlagplatz für Waren aus dem Orient für den Westen. Oder die Karawanen der Tuareg oder König Solomon und die Königin von Saba, die aus Äthiopien kam und die sagte: Schaut, was für tolle Sachen ich habe. Niemand kauft etwas, was ihm nicht gefällt.

Ist Stoffdesign eine britische Domäne, ein Erbe des Empires?

Was die Tradition angeht, so denke ich, ist es eher ein Resultat der industriellen Revolution als der Kolonisation. Und des Handwerks. Die Fabrikation geht dahin, wo die Handwerker sind. Es gibt das ja nicht nur in England, Como in Italien ist ein Zentrum für Stoffe, so wie Meißen eines für Porzellan wurde. Im 20. Jahrhundert wurde Kunst einfach emporgehoben zu etwas Außergewöhnlichem.

Der Kolonilastil war Ausdruck kolonialen Denkens, das Ethnodesign der Hippies stand für 68. Wofür steht denn Design, besonders Ethnodesign, heute?

Natürlich ist Design immer eine Reflexion des Jetzt. Der Politik des Heute – von Filmen, Literatur, Musik. Erinnern Sie sich an die Fünfzigerjahre, all das Kuba-Design, dann die Pop-Art. Es wird durch vieles beeinflusst, auch durch Filme. In den Sechzigerjahren gab es „Easy Rider“, in der Zeit nach dem Vietnamkrieg all diese Filme über CIA-Agenten. Haben Sie „Moulin Rouge“ gesehen? Der Film wird Design beeinflussen!

Martin Waller ist der kreative Kopf der Londoner Firma Andrew Martin. Er ist Herausgeber von Designbüchern und Zeitschriften, Initiator des „Andrew Martin International Interior Designer of the Year Award“, des „Oscars“ für Wohndesign. Wallers Stil unterscheidet sich deutlich von dem im Edeldesign heute dominierenden Trend puristisch schlichter Linien.

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