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Rote Banner und Internet in den Elendsdörfern

Mit dem Präsidenten von Madagaskar auf Tour vor den Wahlen am Sonntag: Cocktails für die Reichen, Stromausfall für die Armen

AMBOSITRA taz ■ Ganz Ambositra ist in den Nationalfarben geschmückt, Wimpel wehen über den Straßen und an den Häusern. Auf dem zentralen Platz der Kleinstadt rund 300 Kilometer südlich von Madagaskars Hauptstadt Antananarivo steht eine große Bühne: Es ist Wahlkampf. Der derzeitige Präsident Didier Ratsiraka, seit 1996 an der Macht, stellt sich am Sonntag zur Wahl. Fast das gesamte Kabinett sitzt auf dem Podium, auf der Bühne wärmt der gefeierte Sänger Rossy mit seiner Band das Publikum vor, denn der Präsident lässt auf sich warten.

Rund 5.000 Menschen sind aus dem ganzen Umland gekommen, um dieses Fest zu erleben. Darunter sind viele Anhänger der Regierungspartei Arema (Avantgarde de la Révolution Malagasy). Viele tragen als Zeichen der Parteizugehörigkeit Strohhüte mit roten Bändern, Frauen oft rote Röcke und weiße Blusen: Rot ist die Parteifarbe. Um das Stadion hängen Fotos von Ratsiraka und Parolen über Wohnungen, Telekommunikation, Schulen, Krankenhäuser.

Bereits von 1975 bis 1993 hatte Ratsiraka regiert, als marxistischer Diktator. Seine Amtszeit ging zu Ende, als er auf friedliche Demonstranten schießen und Massaker anrichten ließ. Der Führer der Demokratiebewegung, Albert Zafy, kam in freien Wahlen an die Macht. Aber bei den nächsten freien Wahlen 1996 gewann Ratsiraka wieder. Heute heißt Ratsirakas einziger wichtiger Gegenkandidat Marc Ravelamanana, ein reicher Geschäftsmann.

Derweil ist der Präsident mit dem Helikopter eingeflogen. Es ist elf Uhr. Um acht Uhr hätte es losgehen sollen. Die Anzugtragenden, Geschniegelten auf der Bühne bilden einen ausdrucksstarken Gegensatz zu den zerlumpten, barfüßigen Zuhörern unten. Die Bürgermeisterin heißt den Präsidenten willkommen, es spricht der Gouverneur. Der Direktor der Telecom kündigt Verbesserungen an – Internet, Fax, öffentliche Fernsprecher. Die Telecom unterstützt Ratsiraka, Air Madagascar auch.

Es ist schwer, dem Paroli zu bieten. Kritische Stimmen in Madagaskar wissen nicht, wen sie wählen sollen. Immerhin habe Ratsiraka sich schon genug beiseite geschafft, so eine Wählerin, die Korruption wäre also bei weitem nicht so groß, wenn er an der Macht bleibt, wie bei einem neuen Präsidenten, der damit von vorne anfangen müsste. Aber ob das ausschlaggebend sein wird? Und wer die Wahl zwischen letztlich zwei Übeln hat, wird möglicherweise gar nicht wählen. Die Beteiligung an der letzten Wahl Madagaskars lag deutlich unter 50 Prozent.

Dennoch genießt vor allem die junge Bevölkerung das Musikfestival am Nachmittag. Verschiedene bekannte Bands treten auf, es moderieren die Topcomedians des Landes. Alle haben Spaß: Die High-Society beim Cocktailempfang im Zelt, die Polizei auf dem Dach ihres Quartiers, die tausenden normalen Menschen vor der Bühne. Als der Nachmittag allerdings ohne ein weiteres Konzert von Rossy endet – es gibt kein Licht auf der Bühne und hier wird es früh dunkel –, verlassen die Menschen schnell und unter Pfeifen den Platz. VOLKER JÖRN WALPUSKI

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