: Energiesystem ohne Zukunft
Bericht der Enquetekommission „Nachhaltige Energieversorgung“: Dissens über Atom, Kohle und Regenerative
BERLIN taz ■ Deutschlands Energiesystem ist nicht nachhaltig. Das ist ab heute amtlich. Im Bundestag wird nämlich der Bericht der Energie-Enquetekommission behandelt, der – überfraktionell – zu diesem Urteil kommt. Axel Berg, SPD-Sprecher in der Kommission, bezeichnet den Weg dahin als „mühsamen und aufwendigen Prozess der Konsensfindung“. Allein um den Nachhaltigkeitsbegriff zu definieren, hatten die Kommissionsmitglieder neun Monate gerungen. Demnach ist nachhaltig, was die schonende Nutzung und Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlage sowie die wirtschaftliche und soziale Entwicklung garantiert. Und das ist derzeit weltweit nirgendwo der Fall.
Konsens herrscht auch bei der Bewertung des Klimawandels. Es gebe „neue und stärkere Belege dafür, dass die beobachtete Erderwärmung der letzten 50 Jahre zum Großteil auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen ist“, heißt es in dem Bericht, der sich damit auf den Sachverstand der UN-Kommission „Intergovernmental Panel on Climate Change“ (IPCC) vom Jahresanfang stützt. Nur durch eine deutliche Reduzierung der Treibhausgas-Emmission werde der Effekt „so weit beherrschbar, dass nicht umfangreiche Anpassungsmaßnahmen und unkalkulierbare Schäden in Kauf genommen werden müssen“.
Die Kommission beschäftigte sich auch mit der Verfügbarkeit von Ressourcen. Die Kriege der Gegenwart seien auch Energiekriege, urteilt SPD-Experte Berg. „In Afghanistan und Tschetschenien geht es auch um Einfluss und sichere Pipelines“. Zwar sei mittelbar keine Knappheit fossiler Energieträger zu erwarten. Die Kommission sieht aber zur Politik der Ressourcenschonung keine Alternative.
Soweit die Analyse, in der Parlamentarier und Wissenschaftler weitgehend übereinstimmen. Aber schon bei der Bewertung dieser Analyse wird der Dissens deutlich. Hauptpunkt ist dabei die Bewertung der Atomtechnologie: Union und FDP halten diese weiterhin für nachhaltig – ebenso wie die von ihnen bestellten Sachverständigen. Entsprechend wird eines der nun zu erarbeitenden Lösungsszenarien gestaltet: Union und FDP wollen von den Forschungsinstituten errechnen lassen, ob den Klimaproblemen durch den Neubau von AKWs ab 2010 beizukommen sei. Ein anderes Rechenmodell will die Probleme durch massive Effizienzsteigerung bei Energieherstellung und Nutzung angehen, ein drittes den enormen Ausbau regenerativer Energien einbeziehen – was deutlich die Handschriften der jeweiligen Antragsteller SPD und Grüne verrät.
Im Sommer sollen die Ergebnisse dieser Szenarien in den Abschlussbericht einfließen, der vom Parlament nicht abgestimmt, sondern lediglich „zur Kenntnis“ genommen wird. Dass derartige Berichte dennoch von der Tagespolitik reflektiert werden, zeigt der Bericht der Enquetekommission zum Klimaschutz: Dort wurde erstmals das Reduktionsziel von 40 Prozent des Kohlendioxid-Ausstoßes bis 2020 im Vergleich zu 1990 festgeschrieben. NICK REIMER
Bericht unter: www.bundestag.de/energie
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