: Schwarze Schafe an der Küste friedlicher
Überall wird Scientology beobachtet, nur in Schleswig-Holstein nicht. Die Organisation gehe hier nicht auf aggressive Weise gegen die freiheitliche Ordnung vor, erklärt der Verfassungsschutzchef Michael Wolf
taz: Herr Wolf, warum wird Scientology in Schleswig-Holstein im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern nicht beobachtet?
Michael Wolf: Schleswig-Holstein ist das einzige Bundesland, das eine besondere Vorschrift in seinem Verfassungsschutzgesetz hat. Demnach ist Voraussetzung für die nachrichtendienstliche Beobachtung, dass die Haltung der betroffenen Organisation in aktiv-kämpferischer, aggressiver Weise gegen die bestehende Verfassungsordnung ausgerichtet sein muss. Zur Vorfrage, ob es sich um eine politisch ausgerichtete Bestrebung handelt, kommt diese Schwelle hinzu. Und das ist für die schleswig-holsteinischen Teile von Scientology bisher so nicht festgestellt worden.
Ist Scientology trotz dieser Feststellungen gefährlich?
Soweit die Beobachtung der anderen Verfassungsschutzbehörden reicht, gibt es dazu unterschiedliche Einschätzungen, die jedoch eine theoretische Gefährlichkeit dieser Organisation sicherlich belegen.
Der Berliner Verfassungsschutz meint jedoch, Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen zu haben: Sehen Sie diese in Schleswig-Holstein nicht, oder halten Sie sie nicht für so relevant?
Ja, wir haben bisher in Schleswig-Holstein derartige Bestrebungen nicht feststellen können, auch nicht in Ansätzen.
Anfang 1997 gab es einen Beschluss der Innenminister der Länder für eine bundesweite Beobachtung, da man totalitäre und verfassungsfeindliche Ziele bei Scientology beobachtet hat. Warum geht das Bundesamt für Verfassungsschutz anders vor als die Landesämter?
Wir haben eben als einziges Land und auch anders als der Bund die genannte besondere gesetzliche Schwelle, über die wir müssen. Was eine Zustimmung zur bundeseinheitlichen Vorgehensweise für die anderen erlaubte, war deren Regelung, dass für sie die politische Bestrebung der jeweiligen Organisation allein ausreicht. Da haben wir gesagt: Okay, eine politische Bestrebung lässt sich begründen, jedenfalls lassen sich Anhaltspunkte dafür ableiten, aber das Aktiv-Kämpferische können wir im Augenblick nicht sehen. Das ist für uns das Originäre, diese so genannte Aggressionsklausel.
Halten Sie die bundesweite Beobachtung überhaupt für sinnvoll?
Das will ich gar nicht beurteilen. Meine Zuständigkeit beschränkt sich auf das Land Schleswig-Holstein.
Wenn Sie die Ausnahme in Deutschland sind: Gibt es da nicht die Gefahr, dass Scientology seine Aktivitäten vor allem in Ihr Land verlegt?
Bei uns im Lande gibt es keine Zentralen von Scientology. In München oder Hamburg verhält sich diese Organisation ganz anders – da muss man dann auch anders vorgehen als hier in Schleswig-Holstein.
INTERVIEW: PHILIPP GESSLER
Michael Wolf (59) leitet seit zehn Jahren die Verfassungsschutz-Abteilung des Innenministeriums von Schleswig-Holstein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen