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Das Lexikon von LaekenI wie Institutionen

Über das Zweikammersystem und eine EU-Regierung

Nach Überzeugung vieler Beobachter haben sich EU-Gipfeltreffen, wie sie zuletzt in Lissabon, Köln, Nizza oder Göteborg stattfanden, überlebt. Sie sind zum Symbol des demokratiefernen Geschäfts einer bürokratisierten Union geworden, bei dem sich die Politiker gegen ihr Wahlvolk verschanzen müssen. Eines der wichtigsten Themen des Konvents ist daher die Reform der Institutionen, die die Entscheidungen in der EU treffen.

Inzwischen wird zu viel auf EU-Ebene entschieden, als dass es genügen würde, wenn viermal im Jahr die Regierungschefs die Köpfe zusammenstecken. Deshalb wird darüber nachgedacht, einen ständigen Rat der Europaminister in Brüssel einzurichten, der wöchentlich tagen soll und die anstehenden Fragen entscheidet. Fachministerräte könnten dann ganz abgeschafft werden, die Regierungschefs würden ebenfalls in Brüssel tagen. Damit entfielen der kräftezehrende Wanderzirkus, die finanzielle und psychologische Belastung für die jeweils gastgebende Stadt und der Eindruck von abgehobener europäischer Machtpolitik, der unvermeidlich ist, wenn das Raumschiff Brüssel in der Provinz landet.

Außerdem wird erwogen, die exekutiven und die legislativen Aufgaben, die aus historischen Gründen von Ministerrat, Parlament und Kommission gemeinsam erledigt werden, klar voneinander zu trennen. Die Kommission könnte zu einer europäischen Regierung ausgebaut werden, Rat und Parlament könnten zu zwei legislativen Kammern werden.

Um der Kommission das politische Gewicht zu verleihen, das sie als Regierung braucht, wird darüber nachgedacht, den Kommissionspräsidenten künftig direkt von allen Bürgern der EU wählen zu lassen. Im Europaparlament könnte künftig ein Teil der Sitze nach gemischten Wahllisten vergeben werden, auf denen Abgeordnete einer Partei, aber unterschiedlicher Nationalitäten gemeinsam kandidieren.

Auch für die gemeinsame Außenpolitik, die an Bedeutung gewinnt, wird über eine institutionelle Änderung nachgedacht. Die missliche Aufgabenüberschneidung zwischen EU-Außenkommissar und ständigem außenpolitischem Vertreter des Rates soll beendet werden. Der Konvent wird allerdings Mut brauchen, um die Kernfrage zu beantworten: Sitzt der künftige „Außenminister“ Europas beim Ratssekretariat und liegt damit an der kurzen Leine der Regierungschefs oder aber bei der EU-Kommission, was deren Stellung gegenüber dem Rat enorm steigern würde?

Mit Argusaugen werden die europäischen Regierungen beobachten, wohin die Reise geht. Sind die Vorschläge des Konvents zu kühn, wird der Rat sie zu blockieren versuchen.

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