eu-konvent: Alle Macht den Parlamenten
Hut ab vor dem belgischen Premier Guy Verhofstadt. Das Geschick, das er täglich braucht, um flämische Grüne, wallonische Liberale und all die anderen Gruppen seiner Regierungskoalition bei der Stange für ein gemeinsames Europa zu halten, machte sich bei den EU-Kollegen bezahlt. Sie einigten sich am Ende auf die „Laekener Erklärung“, eine hervorragende Arbeitsgrundlage für den Reformkonvent.
Kommentarvon DANIELA WEINGÄRTNER
Lediglich bei der Personalfrage musste Verhofstadt zurückstecken. Valerie Giscard d’Estaing, der Vater des Ecu, ist ganz sicher nicht sein Traumkandidat als Konventspräsident. Auch Giscards Stellvertreter, der belgische Expremier Dehaene und der italienische Exstaatschef Amato, sind nicht gerade ein Signal für ein demokratisches und junges Europa. „Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa“ – der alte Reim scheint noch immer zu gelten.
Ob die Altmännerriege um Giscard im Präsidium des Konvents den Verfassungsprozess möglicherweise lähmt, wird allerdings vom Geschick der ParlamentarierInnen abhängen. Der Konvent gibt ihnen zum ersten Mal die Möglichkeit, Europas Zukunft zu gestalten. Wenn die 72 ParlamentarierInnen es schaffen, sich über nationale Grenzen hinweg in politischen Familien zu gruppieren und sich bei zentralen Fragen auf einstimmige Empfehlungen zu einigen, wird das Präsidium sich darüber nicht hinwegsetzen können.
Eine ständig sinkende Beteiligung bei den Europawahlen, aber auch die Antiglobalisierungsdemos stellen bisher die Legitimität eines europäischen Parlaments immer noch in Frage. Jetzt wird die so genannte Zivilgesellschaft den Diskussionsprozess per Internet ständig beobachten und kontrollieren können. Derartige Transparenz hat es in der EU noch nie gegeben. Die Arbeit der Abgeordneten im Konvent werden auch die BürgerInnen nicht ignorieren können.
Bei aller berechtigten Euphorie darf aber nicht vergessen werden, dass der Konvent der Beginn eines Demokratisierungsprozesses ist, nicht sein Ergebnis. Es wäre also unangebracht, die Erklärung von Laeken den Flops von Amsterdam und Nizza gegenüberzustellen.
2004 wird es wieder eine lange Gipfelnacht geben, in der die Ergebnisse des Konvents in einen EU-Verfassungsvertrag münden – oder eben auch nicht. Erst dann wird man sagen können, ob das Königsschloss zu Laeken als Wiege einer demokratischen EU in die Geschichte eingeht.
brennpunkt SEITEN 4 und 5
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