: Verkehrsinsel im Autowahnring
Heute wird erstes Teilstück der A 20 bei Lübeck für Autos frei gegeben. West-Erweiterung nach Hamburg nimmt Gestalt an ■ Von Sven-Michael Veit
Es sind nur sechseinhalb Kilometer, doch schon in vier Jahren sollen daraus 323 Kilometer geworden sein. Und in zehn Jahren vielleicht sogar noch 150 Kilometer zusätzlich: Die Ostseeautobahn A 20, deren erstes schleswig-holsteinisches Teilstück heute für den Verkehr freigegeben wird, soll die polnische Hafenstadt Stettin via Rostock und Wismar mit ihrer Hanseschwester Lübeck verbinden. Und, so Verkehrsplaners Traum, nordwestlich um Hamburg herum unter der Elbe hindurch nach Niedersachsen weitergeführt werden.
„Dieses Stück Autobahn ist wichtig für Schleswig-Holstein“, glaubt Stefan Lemke, Sprecher von Landesverkehrsminister Bernd Rohwer. Der wird heute den Abschnitt zwischen dem Autobahndreieck Hamberge an der A1 und der Anschlussstelle Genin südlich von Lübeck für den Verkehr freigeben. 212 Millionen Mark haben die 6,5 Kilometer inklusive des Brü-ckenschlages über den Elbe-Lübeck-Kanal gekostet, aber die teurere Fortsetzung muss erst noch von Richtern genehmigt werden.
Denn gegen die weiteren 9,5 Kilometer bis zur Landesgrenze von Mecklenburg-Vorpommern haben Einzelpersonen und Umweltverbände vorm Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Berlin geklagt, die Verhandlung ist für den 24. Januar 2002 angesetzt. Dieses Teilstück führt durch die Ökotope des Grenzflusses Wakenitz, welche die rot-grüne Landesregierung eigentlich nach EU-Recht schützen müsste, moniert der BUND Schleswig-Holstein, einer der Kläger. Und fordert zumindest einen knapp 1000 Meter langen Tunnel unter der Wakenitz-Niederung, Rohwer würde es gern mit einer billigeren Brücke bewenden lassen. „Optimistisch“ blicken sowohl Lemke als auch der BUND auf die Richter.
So richtig kontrovers jedoch wird es erst beim Thema Westerweiterung. In einem Jahr etwa soll die Planfeststellung für den Weiterbau zwischen Hamberge und Bad Segeberg vorliegen, und bereits im Frühjahr will Kiel erklären, wo die A 20 die Elbe queren solle. Zwei Varianten liegen auf dem Tisch: Eine Trasse bei Glückstadt und eine kurz hinter Wedel, jeweils mit privat-finanziertem und deshalb mautpflichtigem Elbtunnel. Umweltschützer und Anwohner laufen schon seit Jahren gegen diese Pläne Sturm, für die bei beiden Trassen Naturschutzgebiete zerstört würden.
Was als allerletzten den Hamburger Schwarz-Schill-Senat stören würde. Der „unterstützt nachhaltig“, so heißt es im Koalitionsvertrag, den A 20-Ring um Hamburg herum. Und damit es eine runde Sache wird, fordert er auch gleich noch den Weiterbau der A 21 vom Autobahnkreuz Bargteheide bis Lüneburg mit einer zweiten „östliche Elbquerung“ bei Geesthacht: Hamburg würde zur Verkehrsinsel im Autowahnring.
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