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Ohne Bin Laden, aber im Schlammloch

In Westafrika gibt es wichtigere Themen als den Krieg in Afghanistan – zum Beispiel die beste Party in Abidjan

HAKEEM JIMO über die Ferne der Welt, wenn man in der Elfenbeinküste mit dem Bus fährt

Die Taxifahrer meiden Adjame – und auch sonst will niemand hin, aber leider lässt sich das Viertel nicht vermeiden. Jedenfalls von niemandem, der einen Überlandbus benutzen möchte. Denn in Adjame liegt der Busbahnhof von Abidjan, der wirtschaftlichen Metropole der Elfenbeinküste.

Erst der siebte Taxifahrer ließ sich doch noch überzeugen, mit mir eine Fahrt nach Adjame zu wagen; einige Scheine hatten nachgeholfen.

Das Taxigespräch verlief wie immer. Kein Wort von Pakistan, den Taliban, Afghanistan oder dem jüngsten Kampf der Menschheit. Das Thema war „T.A.S“ – Traoré Ahmadou Sekou, der als Fernsehproduzent dutzende junge ivorische Nachwuchsmusiker vor die Kamera gebracht hatte. Nun war er gestorben, was nicht die Neuigkeit war. Gesprächsthema war das Konzert zu seinen Ehren; es war eindeutig die beste Party der letzten Zeit; alle redeten nur darüber in Abidjan.

Nachrichten über die Lage im fernen Orient fanden sich höchstens in den Zeitungen. Davon gibt es genug in Abidjan. Wie in den meisten frankophonen Ländern Westafrikas kämpfen mindestens ein Dutzend Publikationen täglich um Käufer. Oft sind es Pamphlete – oder freundlicher: Offizielle Informationsorgane von Parteien oder Politikern. Deswegen gibt es auch so viele. Ich entscheide mich diesmal für Le Jour.

Was aber eigentlich egal ist: Die Nachrichten aus Afghanistan unterscheiden sich im Le Jour nicht von anderen Zeitungen. Alle verlassen sich auf die französische Nachrichtenagentur Agence France Presse (AFP). In den anglophonen Ländern sind es stattdessen Reuters oder AP, denn Afrika hat kaum eigene Korrespondenten in der Welt.

Tora Bora werde weiter bombardiert, lese ich gerade, als das Taxi in den Busbahnhof einbiegt. Es werden die letzten Nachrichten für die nächsten 24 Stunden sein. Denn Adjame ist ein Informationsloch – Telefonleitungen reichen nicht in das Viertel und auch asphaltierte Straßen machen einen Bogen um das Quartier. Dennoch liegt Adjame nicht etwa am Stadtrand, wie man denken könnte – sondern mitten in Abidjan. Trotzdem scheint Adjame nicht zu Abidjan zu gehören.

Adjame ist nicht nur ein Informationsloch, sondern auch ein Schlammloch. Der Matsch ist schienbeintief. Nur Fahrzeuge mit großen Reifen trauen sich hinein. Kein Wunder, dass die Taxifahrer lieber woanders hinfahren. Gespeist wird der Sumpf nicht etwa durch Regenwasser. Jetzt ist nämlich Trockenzeit – und trotzdem fließen viele kleiner Bäche in den großen Schlammstrom. Sie stammen aus den Garküchen, die die Busreisenden proviantieren.

Statt über den Anti-Terror-Kampf zu reden, liegt ein anderes Gesprächsthema viel näher: Man überlegt, ob sich ein Kauf von Gummistiefeln noch lohnt – oder übergestülpte Plastiktüten es auch machen.

Ob Ivorer, Burkinabés oder Malier – gemeinsam wartet man im Schlamm und begibt sich von der abgeschotteten Welt Adjames ins Informationsvakuum der Busse. Dort wird man nur gestört von Polizeikontrollen und Maniokverkäuferinnen auf den Überlandstraßen. Von Afghanistan will keiner etwas wissen – oder zumindest nicht jetzt. Als der Busfahrer zur vollen Stunde kurz Radio France International andreht, fordert eine starke Busfraktion die Musik zurück. Erst als ich einen Tag später in Bobo Dioulasso in Burkina Faso ankomme, kann ich wieder eine Zeitung erstehen.

Und so habe auch ich jetzt mitbekommen, dass US-Außenminister Powell warnt, dass die Suche nach Bin Laden „noch mehrere Jahre dauern“ könne.

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