: Jeder vierte Baum ist krank
Die Bundesregierung legte in Berlin ihren Waldzustandsbericht 2001 vor. Danach sind nur 36 Prozent der deutschen Bäume gesund. Bereits im Vorfeld gab es Kritik an der Arbeitsweise der Forstexperten
BERLIN taz ■ Jeder vierte Baum in Deutschland weicht dem Verbraucherministerium zufolge vom Idealbild des gesunden Baumes ab. Nach dem gestern vorgestellten Waldzustandsbericht der Bundesregierung ist dafür vor allem die hohe Stickstoffbelastung der Luft verantwortlich. „Ein Viertel der Bäume weist deutliche Schäden auf“, sagte Staatssekretär Gerald Thalheim in Berlin. Weitere 42 Prozent der Bäume seien leicht geschädigt, nur 36 Prozent gesund. Zudem seien viele Waldböden versauert. Obwohl sich damit gegenüber 1996 keine wesentlichen Änderungen ergaben, müsse die Luftqualität weiter verbessert werden, so Thalheim. Nur durch die Reduzierung des hohen Stickstoffgehalts in der Luft – verursacht hauptsächlich durch intensive Tierhaltung und Verkehr – könnten die Wälder gesunden.
Genau an diesem Punkt setzt die Kritik an dem Bericht an: Einen wissenschaftlichen Beweis, den Stickstoffgehalt der Luft als Ursache für Waldschäden zu sehen, gibt es nicht. Der Vorwurf der Kritiker: Der Bericht – ein jährliches Ritual – diene Wissenschaftlern dazu, weitere Fördermittel zu beantragen, und rechtfertigt unnötige Subventionen für Waldbesitzer.
Bei der Diskussion hilft die Arbeitsweise: An 5.700 Stellen in Deutschland begutachten Förster Bäume. Dabei orientieren sie sich an Idealmerkmalen. Abgeschätzt wird, wie sehr Nadel- oder Blattbestand vom Ideal abweicht. Fehlen über 25 Prozent der Blätter, wird er als stark geschädigt eingestuft, bei weniger als 10 Prozent gilt er als gesund.
„Eine Verknüpfung mit Ursachen ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht möglich“, sagt Sven Wagner, Professor für Waldbau an der TU Dresden. Auch andere Gründe könnten den Blattverlust verursachen: die Beschaffenheit des Bodens, klimatische Bedingungen, falsche Bepflanzung oder schlicht das Altern eines Baumes. Wagner: „Ich würde mich nicht trauen zu sagen: Das ist ein gesunder, das ein kranker Wald.“ Der Bericht sei vielmehr als Zeitreihe interessant, von der man Trends ablesen könne. Da die Beobachtungen kontinuierlich seit 1983 an immer wieder den gleichen Stellen durchgeführt würden, könne man sehr gut sehen, wie sich der Zustand unserer Wälder verändert.
Das sieht auch Gerald Thalheim als den größten Pluspunkt des Berichts, auch wenn die Methode weiterhin umstritten bleibt. Der Waldzustandsbericht macht Sinn, wenn man ihn als das sieht, was er ist – eine Beschreibung des Zustands der Wälder. STEFAN WEILGUNY
Bericht: www.verbraucherministerium.de/ Stichwort Presse
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen