: „Hurra, wir verblöden!“
700 Schüler demonstrieren am Breitscheidplatz für bessere Bildung, mehr Unterrichtsmaterial und mehr Lehrer
Stundenausfall ist eher Normalität als Ausnahme. Und wenn die Schüler dagegen demonstrieren wollen, werden sie schon mal von den Lehrern in ihren Klassenzimmern eingeschlossen – wie in der Schöneberger Rückert-Oberschule. Und das, obwohl die Lehrer selbst von den Kürzungen im Schulbereich betroffen und auch deshalb auf die Straße gegangen seien, regt sich Benjamin auf.
Er ist einer der 700 Jugendlichen von elf Berliner Schulen, die Dienstagmittag in einem Sternmarsch zum Breitscheidplatz „gegen alle geplanten Kürzungen im Bildungsbereich“ demonstrierten. Auf einem Transparent an der Spitze des Zuges stand „Hurra, wir verblöden!“ „Wir wollen uns nicht schon wieder zum Spielball der Sparmaßnahmen machen lassen“, hieß es auf einem Flugblatt, das entlang der Demonstrationsstrecke verteilt wurde.
Organisiert hat den Protest Stefan Hernàdi, Mitglied der Schülervertretung der Marie-Curie-Oberschule; und zwar noch zu Zeiten der Ampelverhandlungen, als zwischen SPD, Grüne und FDP im Gespräch war, 3.150 Lehrerstellen zu streichen. Dass inzwischen über Rot-Rot verhandelt wird und dabei keine Etatkürzungen im Bildungsbereich mehr geplant sind, heißt aber für Stefan Hernàdi nicht „per se, dass jetzt keine Lehrer eingespart werden“. „Lehrer kann man auch streichen ohne Ankündigung“, bestätigt Stefanie Szymanski die Meinung ihres Schulkameraden.
Was die Pisa-Studie aufgedeckt hat, wissen auch die Schüler. Die Unterrichtssituation ist vielerorts so miserabel, dass nicht weiter gespart werden darf, finden sie. Im Kant-Gymnasium beispielsweise, erzählt der 15-jährige Daniel, müssten Sportlehrer selbst in die Tasche greifen, um neue Bälle zu kaufen. Und die Erdkundelehrer bezahlten neue Atlanten inzwischen vom eigenen Gehalt.
„Die Bücher sind älter als wir, gedruckt 1985“, sagt Sylvia Freimann. Zum Teil müsse mit Kopien gelernt werden. Und der Lehrerausfall habe zur Folge, dass etwa für den Französischunterricht statt wie vorgesehen 4 nur noch 3 Stunden pro Woche zur Verfügung stehen. Derselbe Stoff in weniger Zeit, das sei nicht zu schaffen, sagt Phillip Hopper von der Marie-Curie-Oberschule.
Die Demonstration solle „den Anfang einer neuen Bildungspolitik machen“, so Stefan Hernàdi. Abschließend forderte er alle Teilnehmer der Demo auf: „Schaut was passiert, notfalls gehen wir wieder auf die Straße, bis eine neue Bildungspolitik zustande kommt.“ MARTINA NIX
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