Musik in meinen Augen

■ Die Galerie Beim Steinernen Kreuz zeigt die Arbeiten des bildenden Künstlers und Klanginstallateurs Rolf Julius

Wie sieht eigentlich ein Klang aus? Und wie klingt eine Farbe? Wir reden hier nicht von Synästhesie. Es geht um die Beziehung verschiedener Medien, mit denen Kunst gemacht wird. Nicht Medien-Kunst. Viele Arbeiten des 1939 in Wilhelmshaven geborenen Bildenden Künstlers und Klanginstallateurs Rolf Julius drehen sich um die Materialität. Wenn er fragt „Wie klingt ein fast schwarzes Rechteck und wie ein fast rundes Rot?“, ist das keine theoretische Frage. Sie findet sich auf einem schlicht „Statement 2“ betitelten Inkprint. Die dicken schwarzen Buchstaben sind auf Japanpapier gedruckt. Tritt man näher heran, wird sichtbar, wie die scheinbar klaren Ränder verwischen, verlaufen mit der Struktur des Papiers. Die Materialität dessen, womit Julius arbeitet, bleibt sichtbar.

Auge und Ohr. „Immer wenn eine Pause für unsere Ohren zu lang erscheint,“ meint der Musiker Julius, „springt das Auge ein.“ Das Zusammendenken beider Sinne spielt in der ästhetischen Konzeption eine zentrale Rolle, genau wie die Aufmerksamkeit für das Kleine, Leise, Unscheinbare. Selten tritt dies so subtil und zugleich so deutlich zu Tage wie in „Musik für einen dunklen Raum“, einer Raum/Klang-Installation, die in einem kleinen, aber prägnanten Werkausschnitt in der Galerie Beim Steinernen Kreuz zu sehen ist.

Der leere, ruhige und überschaubare Raum in der Galerie gibt Julius die Möglichkeit, seine Bild- und Klangzeichen behutsam zu setzen. In allen drei Einzelarbeiten, die er komponiert, verbindet sich der Sound mit dem optischen Eindruck: Bei den singenden Steinen etwa, wo Stein und Hochtöner die gleiche bräunlich-schwarze Sprenkelung aufweisen, mehr aber noch bei den „Vulkanen“, bei denen in die Tonschalen Lautsprecher eingelassen sind. Die Membran ist mit Farbpigmenten bzw. Pfefferkörnern bedeckt. Diese machen die Vibrationen sichtbar, Klang wird direkt in Bewegung übersetzt. Das sieht aus wie die zufälligen Bewegungen bei vulkanischer Eruption oder auch, als grabe sich ein Insekt durch den Wüstensand.Immer wieder findet Julius in seinen Arrangements zu solch einprägsamen Bildern. Etwa wenn er Papier so dicht vor Lautsprecher montiert, dass das elektronische Zirpen und Kratzen das Papier in knarrende Bewegung bringt.

Selten hat man einen Künstler erlebt, der bekennender Japanfan ist und sich trotzdem nicht auf einen verquast-esoterischen Überbau bezieht. Das mag daran liegen, dass die klare Struktur der Arbeiten, die Integration unterschiedlicher Medien sehr an John Cage erinnert, dem Julius auch den programmatischen Begriff der „Small Music“ entlehnt hat. Klänge (aber auch Bilder), die im Alltag kaum wahrgenommen werden, spielen eine wichtige Rolle. Nur werden sie nicht als Objèts trouvés eingesetzt, sondern sie werden verändert, verfremdet oder reduziert. „Ich mag die Zeichensprache. Ich mag das nicht so effektive Denken.“

Die Elemente verweisen alle aufeinander, allerdings ohne einander eindeutig zu erklären. Nichts wird versteckt. Die CD-Player, die die zahlreichen Lautsprecher mit meist leisen und kratzigen Elektrosounds speisen, die Kabel, die den Klang zum Objekt bringen, sie alle sind Bestandteil der gesamten Textur. Vermeintliche Störungen – seien sie optischer oder akustischer Natur – sind für Julius keine Störungen, sondern Ausgangspunkte.

Tim Schomacker

Rolf Julius' „Musik für einen dunklen Raum“ ist noch bis zum 5. Januar 2002 in der Galerie Beim Steinernen Kreuz, Beim Steinernen Kreuz 1, zu sehen.