Aufgestoßen: Kotzen ist unnötig
■ Niedersachsen braucht keine Brechmittel
In Hamburg starb vor zwei Wochen ein mutmaßlicher Drogendealer, nachdem ihm zwangsweise ein Brechmittel „zugeführt“ worden war. Innensenator Ronald Schill will ebenso wie sein Bremer Amtskollege Kuno Böse (CDU) an der bisherigen Praxis festhalten. Niedersachsens Innenminister Heiner Bartling (SPD) zur dortigen Praxis.
taz: Herr Bartling, lassen Sie mutmaßlichen Dealern Brechmittel verabreichen?
Heiner Bartling: Nein, wir haben schon länger einen entsprechenden Erlass. Darin schließen wir den Brechmitteleinsatz als unverhältnismäßig aus – es sei denn, der Betroffene will so freiwillig den Verdacht des Drogenhandels aus der Welt schaffen. Das ist aber eher eine theoretische Möglichkeit. Die zwangsweise Zuführung schließen wir aus.
Sind freiwillig geschluckte Brechmittel ungefährlich?
Bei der gewaltsamen Einführung von Magensonden können Nervenzentren getroffen und Organe außer Kraft gesetzt werden. Das Brechmittel als solches ist nach allen Erkenntnissen nicht schädlich.
Kannten Sie die Risiken schon vor dem Todesfall?
Die sind durchaus bekannt und haben auch zu unserem Erlass geführt. Die Mediziner haben davor gewarnt.
Gibt es eine Straftat, wo Ihnen der Brechmitteleinsatz verhältnismäßig erschiene?
Ich sehe keine Fallkonstellation, wo die zwangsweise Zuführung notwendig wäre. Wir warten ab, bis die Verdächtigen eventuelle Drogenkapseln auf natürlichem Wege wieder ausscheiden.
Bekommen Sie da keine Probleme mit der Haftdauer?
Ich sehe das nicht. Wir können ja beim Haftrichter Untersuchungshaft beantragen. Das reicht in der Regel aus, damit Verschlucktes auf natürlichem Wege ausgeschieden wird.
Bremens Innensenator Böse lobt die Erfolge des Brechmitteleinsatzes. Ist Ihre Überführungsquote bei Drogendealern schlechter als in Hamburg oder Bremen?
Ich gehe davon aus, dass es keine signifikanten Unterschiede gibt. Aus der polizeilichen Praxis hat es bisher keinen Hinweis gegeben, dass wir Brechmittel bräuchten. Das hätte aber auch nicht zu einer anderen Entscheidung geführt.
Fürchten Sie nun, dass Bremer Dealer hinter die Landesgrenze ausweichen?
Nein, aber selbst wenn, denke ich, dass wir mit unseren Vorschriften klarkommen.
Wäre eine einheitliche Regelung sinnvoll?
Wir werden das in der norddeutschen Innenministerkonferenz besprechen. Einheitliches Vorgehen ist sinnvoll, aber wir haben nun mal Föderalismus. Da muss es auch Unterschiede geben. Fragen: Jan Kahlcke
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