eject: STEFFEN GRIMBERG über den armen Adel, die Luftwaffe und den ganzen Rest
Die Adlaten des Fernsehens
Es ist doch tröstlich, wenn die hektisch-umtriebige Fernseh- und Medienbranche wenigstens zwischen den Jahren mal ein wenig abschaltet. Wenn es dann rein gar nichts zu berichten gibt, schlachten selbst die Agenturen noch am Nachmittag ungeniert die Zeitungen des Vortages aus.
Und anstatt es bei der Kurzmeldung, dass das altehrwürdige Fischköppemagazin „buten un binnen“ jetzt auch samstags läuft zu belassen, findet sich im Ticker der Hinweis: „Achtung: Folgt Zusammenfassung bis 14.00 Uhr“. Gerne delektiert man sich auch an Porträts derer, die sonst immer zu kurz kommen: Kameraleute zum Beispiel. Und so machte uns dpa gestern mit einem Prachtexemplar der Gattung „Adlatus der großen Regisseure“ bekannt: Wedigo von Schultzendorff.
Das hört sich nach lupenreinem Stammbaum an, und so jemandem nimmt man gerne ab, wenn er „Ich war einer der Besten“ sagt und seine Zeit als Werbefilmer meint. Oder so schöne Platitüden raushaut wie „Italienische und französische Kameraleute sind uns 50 Jahre voraus“ und „im Kamerabereich mussten wir 1945 bei Null beginnen“.
Der schon damals offiziell längst abgeschaffte Adel ja bekanntlich nicht, und so bevölkerten von ihrer Scholle vertriebene Barone und andere Nobilitäten zunächst den deutschen Heimatfilm. Doch auch nach dessen schmachtvollen Dahinsiechen erfreut sich das Adelsprädikat großer Beliebtheit in und um die moderne, schnelle, hippe Welt des Fernsehens, in die solch’ verstaubt altehrwürdige Institution gar nicht so recht zu passen scheint. Nun heißen die Damen und Herren nicht mehr nach Edward dem Bluter, sondern sind ganz schlicht Prinzessin zu Salm oder Tita von Hardenberg. Die eine darf nach geschäftsführender Karriere bei MTV jetzt den gänzlich unadligen „Bei Anruf Sendung“-Kanal 9live verkaufen, die andere stakst durch den ARD-Zeitgeist-Sendeplatz „Polylux“ und muss sich auf der zugehörigen Homepage auch noch als „Titapacwoman“ missbrauchen lassen.
Wie seriös ging es da doch noch Ende des vorigen Jahrhunderts zu, als sich der Discovery Channel mit Oskar Prinz zu Preußen einen waschechten Ersatzkaiser in die Geschäftführung holte und auch die finanziellen Obliegenheiten des Senders einem Freiherrn anvertraut waren. (Nur der Programmdirektor war mit Patrick Hörl schon immer ein Bürgerlicher).
Früher, haben wir gelernt, ging der Adel zur Luftwaffe. Heute geht er zum Fernsehen. Und so kann es passieren, dass man mit nämlicher Erkenntnis ein bei einer namhaften TV-Produktionsfirma jobbendes Fräulein von Sp. aufziehen will, und die ganz indigniert guckt und kiekst: „Aber mein Papi ist bei der Luftwaffe!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen