: Sehnsucht nach Alternativen
In Dresden tagt der 9. Jugendumweltkongress. Bis zum 2. Januar diskutieren die Teilnehmer Wohnprojekte und Food-Coops, aber auch Strategien gegen Rassismus. Kongress hat Geldknappheit und Streit überlebt: Lebensgefühl geht vor Inhalt
Aus Dresden PETER NOWAK
Lebhaftes Treiben im Fritz-Löffler-Gymnasium: Überall sitzen junge Leute im Kreis, malen Transparente oder schnippeln Gemüse. Rund 300 meist junge Menschen sind am Donnerstagabend in den Weihnachtsferien freiwillig in eine Schule gekommen, weitere werden in den nächsten Tagen erwartet. Bis zum 2. Januar ist die Dresdner Schule der Standort des neunten Jugendumweltkongress (JUKSS). Das alljährlich zwischen Weihnachten und Neujahr stattfindende Ökologietreffen hat nach Nürnberg, Tübingen, Freiburg und Göttingen wieder in einer ostdeutschen Stadt Platz gefunden.
Zurück zu den Wurzeln: Schließlich wurde der JUKSS beim Auftakt-Festival 1993 in Magdeburg aus der Taufe gehoben. Jenseits von Ideologien und Organisationen wollte man sich damals für die Umwelt einsetzen. Doch die Organisatoren der ersten Stunde haben schon lange andere Aktionsfelder gefunden. Ein Teil von ihnen arbeitet inzwischen bei der globalisierungskritischen Organisation Attac. Mittlerweile bereitet schon die dritte JUKSS-Generation den Kongress vor.
Am meisten Interesse bei den Besuchern finden die Workshops zum Thema „Anders leben“. Informiert wird dabei über Kommunen, Wohnprojekte, selbstverwaltete Betriebe, Tauschringe oder Food-Coops. Die Sehnsucht nach konkreten Alternativen im hier und heute wird so wenigstens für einige Tage befriedigt. Doch auch die allgemeine Politik ist Thema: Ein Workshop will Handlungsstrategien gegen Rechtsextremismus und Rassismus erarbeiten. Mit dem Schwerpunktfeld „Armut in Deutschland“ betritt der JUKSS politisches Neuland. „Wir lassen uns nicht in die Umweltnische schieben und wollen auch nicht nur über Nistkästen und Mülltrennung reden“, erklärt ein JUKSS-Mitarbeiter. Einige Naturschutzverbände, die diese allgemeinpolitische Ausrichtung des JUKSS nicht mittragen wollten, haben sich 1999 deshalb aus dem Vorbereitungen zurückgezogen
Der Kongress hat schon vieles überlebt: Die Streichung der staatlichen Zuschüsse ebenso wie heftige interne Diskussionen über Radikalismus oder Pragmatismus in der Umweltpolitik. So konnten sich die JUKSS-TeilnehmerInnen vor zwei Jahren in Tübingen auch nach stundenlangen Debatten nicht darüber einigen, ob man Vertretern der Weltausstellung (Expo) Rederecht gewähren oder ihnen aus Protest eine Torte ins Gesicht werfen sollte. Doch zu einer Spaltung führte das nicht. Die Erklärung dafür liefert ein langjähriger Besucher: „Es ist in erster Linie ein Lebensgefühl, dass die Menschen an der JUKSS-Teilnahme motiviert. Die politischen Inhalte stehen erst an zweiter Stelle.“ Das bestätigen viele Besucher. Und auch auf den Flugblättern nehmen die Rubriken „Leben auf dem JUKSS“ und die “Selbstverwaltung auf dem JUKSS“ mehr Platz ein als die Ökoschwerpunktthemen.
Informationen zum JUKSS gibt es unter der Telefonnummer (034 51) 4 72 68 75, im Netz per www.jukss.de und per Email unter info@jukss.de
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