piwik no script img

vorlauf lautsprecherJörg Sundermeier sichtet die soziale Bewegung in der Stadt

Auch nach Weihnachten und Neujahr ist nicht viel los in der Berliner Linken. Es gibt die übliche Szenebesinnlichkeit in den verschiedensten Läden, Filme werden gezeigt, mannigfaltig alkoholische Getränke gereicht und Launen gehabt, Schnee fällt, Schnee auf die Lebenden und auf die Toten. Zu Vorträgen, Demos, Diskussionen oder Infoveranstaltungen aber ist so gut wie nirgends jemand geladen und wird auch nicht aufgerufen. Fast scheint es, als seien Rasterfahndung, Krieg, Antisemitismus, Rassismus, Sexismus, Anti-Israel-Mobilisierungsversuche, religiöse Fanatiker, Kaschmirkonflikt, die in Berlin zu erwartenden Kürzungen im Sozialbereich, Innere-Sicherheit-Debatte, Edmund Stoiber, Gerhard Schröder, Joschka Fischer, FDP und PDS sowie die vielen Menschen in den Knästen und in Abschiebehaft, als seien alle verreist, mit einem Mal nicht mehr da und also auch nicht mehr zu verurteilen oder zu befreien. Nein, alles blickt zurück oder sachte nach vorn, ganz persönlich, privat, egoistisch. Entsprechend kann in dieser Kolumne diesmal leider kein Termin angekündigt werden, da die sozialen und politischen Bewegungen offensichtlich Urlaub haben. Oder müssen ihre Protagonisten Ballerwerk einkaufen gehen? Man will es nicht wissen.

Nur eine wirkliche Ausnahme gibt es zu vermelden. Denn in Moabit wird in der Silvesternacht nicht sinnlos Sekt getrunken, sondern ganz seriös solidarisch geballert. Man trifft sich, um munter – während alles und alle und jede und jeder glücklich anstößt – vor dem Knast in Moabit Solidarität zu zeigen und mit einer Silvester-Knastdemo an all jene zu erinnern, die jetzt nicht mit anderen anstoßen dürfen. Ein schöne und gute Idee. (Treffpunkt nahe dem U-Bahnhof Turmstraße, Ausgang zu Hertie, 23.15 Uhr)

Anregungen: vorlauf@taz.deMittwoch kommt die Bühne

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen