: Kein Grund für Eurostress
Wer heute Nacht auf Nummer sicher gehen will, deckt sich mit D-Mark und Euro ein – und vergisst die EC-Karte nicht
von RICHARD ROTHER
Der Berliner Taxifahrer ist für alles gerüstet, zwei Portmonees stecken in seiner Bauchtasche – eines für Euro, eines für D-Mark. Silvester klingelt immer die Kasse, und „dit Jeschäft lass ick mir ooch durch den Euro nich vamiesen“. Wer heute Nacht auf Nummer sicher gehen will, macht es wie der Taxifahrer: in eine Tasche kommen Euro, sofern man noch ein Starterpäckchen abgekriegt hat; in die andere D-Mark.
Ein Blick ins Portmonee ist heute Vormittag dennoch angebracht. Denn wer noch nicht genügend D-Mark für die Partynacht hat, könnte tatsächlich Umstellungsprobleme kriegen. Viele Banken schalten bereits am frühen Nachmittag ihre Automaten ab, um sie mit Euro zu füttern. Vor allem auf dem Land beginnen die Automatenspezialisten damit zeitig.
Frisches Geld gibt es dann frühestens wieder ab Mitternacht – wenn das Wetter mitspielt. Viele Automaten werden öfter nachgeladen werden müssen, wegen des hohen Andrangs. Kommen die Geldtransporter auf glatten Straßen nicht durch – heute Nacht soll es überall bitterkalt werden –, könnte es schon mal eng werden. Deutschlandweit sind immerhin rund 55.000 Bankautomaten umzurüsten.
Spontane Spritztouren mit der Bahn sind auch nicht ganz einfach. Wegen der Euroumstellung schließen die meisten Reisezentren der Deutschen Bahn AG früher, meist schon am frühen Abend. Ins Internet ausweichen nützt wenig, Onlinebuchungen sind an Silvester nur eingeschränkt möglich. Fahrkarten gibt es nach Schließung der Reisezentren dann nur noch am Automaten, ein Teil nimmt bereits in der Neujahrsnacht Euro, der Rest wird bis Ende Februar umgestellt.
Viele Tankstellen schließen heute um Mitternacht bis zu einer Stunde. Grund: Die Tankwarte müssen ihre letzte Abrechnung in D-Mark machen und anschließend die Kassen auf den Euro umstellen. Die meisten Autofahrer werden aber ohnehin noch vor Silvester Tank und Kanister voll hauen – wegen der Ökosteuer steigt der Benzinpreis wieder einmal, diesmal um sieben Pfennig (3,6 Cent). Wer über Neujahr verreist, sollte am besten Reiseschecks in Euro mitnehmen. Euroschecks verlieren zwar nicht ihre Gültigkeit, die bisher garantierte Deckung von 400 D-Mark oder 200 Euro entfällt jedoch. Und: Auch die D-Mark kann man zu Hause lassen. Ab 1. 1. verliert sie ihre Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel und kann nur noch im Inland genutzt werden. Euro kann man dagegen in allen Ländern der Eurozone ab 1. 1. mit EC- oder Kreditkarte am Geldautomaten ziehen.
Im bargeldlosen Zahlungsverkehr ändert sich nicht viel – niemand muss den Neujahrstag damit verbringen, seine Daueraufträge umzustellen. Alle Ein- und Abgänge auf dem Konto werden automatisch in Euro umgerechnet. Sämtliche Vertragsbestandteile wie Zinssätze oder die Höhe des Dispokredits bleiben von der Euroumstellung unberührt.
Zwar wird es in den nächsten Tage etwas Hektik, Aufregung und längere Wartezeiten geben – wer sich Eurostress macht, ist aber selber schuld. Schließlich bleiben auch direkt Betroffene ganz cool. Wie die Crew des Berliner Szeneclubs „WMF“. „Wir haben uns noch keine Gedanken gemacht“, sagte ein Mitarbeiter kurz vor der großen Silvesterparty, „ich glaube nicht, dass heute schon jemand mit Euro in der Tasche an die Tür klopft.“ Und wenn doch jemand mit Euro zahlen will? „Das klappt schon irgendwie.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen