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Tierversuchslabor vertrieben

In Großbritannien ansässiges Unternehmen flieht vor Drohanrufen und Schlägen militanter Tierschützer in die USA. Die Firma machte für Pharmakonzerne qualvolle Tests an Beagles und Affen

von RALF SOTSCHECK

Das Tierversuchslabor Huntingdon Life Sciences flieht vor britischen Tierschützern in die USA. Die Firma aus der Grafschaft Cambridgeshire hat von den US-Behörden die Genehmigung erhalten, in New York an die Börse zu gehen, und wird seine Geschäfte am 24. Januar unter dem Namen Life Sciences Research aufnehmen – vorausgesetzt, 90 Prozent seiner Aktionäre stimmen zu. Bislang sind es 86,9 Prozent.

Grund für den geplanten Umzug ist die größere Akzeptanz von Tierversuchen in den USA sowie das Recht der Aktionäre auf Anonymität. In Britannien gibt es rund 3.000 Tierschutzorganisationen. Die meisten agieren friedlich, doch Organisationen wie die „Tierschutzmiliz“ oder das „Ministerium für Gerechtigkeit“ kämpfen auch gewaltsam für die Tiere. Huntingdon-Manager Gordon Field wurde vor einem Jahr von Maskierten zusammengeschlagen, fünf Autos seiner Kollegen gingen in Flammen auf, täglich erhält das Labor rund 500 Drohanrufe.

Die Labour Party hatte im Wahlkampf 1997 versprochen, einen Königlichen Ausschuss zur Vivisektion einzusetzen, das jedoch nach der Wahl kategorisch abgelehnt. Der Tierschützer Barry Horne, der wegen Brandanschlägen auf Kaufhäuser und Forschungsunternehmen zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt worden war, starb im November im Hungerstreik aus Protest gegen das gebrochene Versprechen.

Bedrohlicher als die physischen Angriffe auf die Angestellten war für Huntingdon der Druck, den die Tierschützer auf die Geldgeber ausübten. Sie belagerten regelmäßig die Häuser der Aktionäre. Nach englischem Aktienrecht müssen Firmen die Namen und Adressen ihrer Anteilseigner bekannt geben. Darüber hinaus haben die Tierschutzorganisationen durchgesetzt, dass keine Fluglinie Affen für Tierversuche aus Fernost nach Großbritannien transportiert.

Huntingdons Probleme begannen 1997. Damals strahlte der Fernsehsender Channel 4 einen Film von Zoe Broughton aus, die sechs Monate in dem Labor gearbeitet und mit versteckter Kamera Tierquälereien an Beagles gedreht hatte. Zwar wurden die Schuldigen entlassen und das Innenministerium verlängerte die Lizenz des Unternehmens, doch der Aktienpreis sank von 3,50 Pfund auf einen Penny. Die Banken, darunter die Bank of Scotland und die Westdeutsche Landesbank, kündigten die Kredite, der Rentenfonds der Labour Party zog seine Gelder ab. Huntingdon stand vor dem Bankrott.

Da sprang eine Investmentfirma mit einem langfristigen Darlehen in Höhe von 10 Millionen Pfund ein. Weil es eine Sondergenehmigung der Londoner Börse hatte, durfte das Unternehmen anonym bleiben. Inzwischen weiß man, dass es die Stephens Group aus Little Rock im US-Staat Arkansas war – eines der größten Investmentunternehmen der USA. Das Unternehmen hatte Bill Clintons Wahlkampf 1992 mitfinanziert, Hillary Clinton hat die Stephens Group mehrfach vor Gericht vertreten. Die Firma hat Huntingdons 10 Millionen Pfund Schulden bei zwei US-Banken bezahlt und soll den Kredit von 11,6 Millionen Pfund für ein symbolisches Pfund bei der Bank of Scotland beglichen haben. Greg Avery von der Organisation „Stop Huntingdon Animal Cruelty“ sagte: „Jetzt gibt es Krieg gegen Stephens. Wir werden zeigen, dass wir ihnen Schaden zufügen können.“

Zu Huntingdons Kunden gehören Pharmakonzerne wie Glaxo Wellcome und La Roche, aber auch Monsanto. Ebenfalls Kunde ist Imutran, das an genmodifizierten Schweineherzen arbeitet, die Menschen eingepflanzt werden können. Huntingdon hat für Imutran Transplantationen an Affen durchgeführt. Mehr als ein Viertel der Versuchstiere starb, einem Affen wurde versehentlich ein tiefgefrorenes Herz eingepflanzt.

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