: Anzeige gegen Polizisten
■ Drogenprostituierte: „Er hat mich gewürgt und beleidigt“ / Zeugen bestätigen aggressives Vorgehen der Polizei / Im Jahr 2000 wurden 80 Ermittlungsverfahren gegen Polizisten eröffnet
Viele Chancen rechnet sich Yvonne B. nicht aus – trotzdem hat die Drogenprostituierte einen Bremer Polizisten angezeigt. Der Beamte habe sie beleidigt, gewürgt und ihr auf offener Humboldtstraße weh getan, berichtet die 22-Jährige. Unbeteiligte Anwohner haben, durch ihre Hilferufe alarmiert, den Polizeieinsatz beobachtet und danach von „aggressivem Vorgehen“ gesprochen – obwohl sie den Drogenstrich vor der eigenen Haustür deutlich ablehnen.
Damit ist der Fall von Yvonne B. eine Ausnahme. Denn meist fehlen zivile Zeugen, wenn Polizisten der Übergriffe beschuldigt werden. Ermittler sind dann auf die Aussagen von KollegInnen angewiesen. Zuletzt führte das Schweigen von 13 Beamten, gegen die im Fall des Silvester 2000 auf der Wache verletzten Schülers Tim Koehne ermittelt wurde, zur Einstellung der Strafverfahren (wir berichteten).
Auch als der 49-jährige Isa C. im Februar 1998 nach einem Alkohohltest die ehemalige Wache Sandstraße mit Knochenbrüchen verließ, die er noch gesund betreten hatte, gab es keine zivilen Zeugen. Das Strafverfahren wurde eingestellt. Seine Zivilklage gegen die Stadt Bremen wird diesen Monat fortgesetzt. Immerhin ist unstrittig, dass Polizisten gewalttätig wurden. Unklar ist nur, welcher Beamte dem Opfern welche Verletzungen zufügte.
Im Vergleich dazu hat Yvonne B. Glück gehabt. Nach ihrer Darstellung wurde sie von einem Beamten in der Humboldtstraße angesprochen. Die heroinabhängige Frau, die als Drogenprostituierte vorbestraft ist und sich wegen eines Platzverweises gar nicht in der Humboldtstraße aufhalten darf, sollte den Inhalt ihrer Handtasche auf die Kühlerhaube des Streifenwagens leeren. Dann habe der Beamte mit beiden Händen ihren Hals umfasst, sie gewürgt und geschüttelt, während ein anderer suchte, ob Rauschgift auf den Boden gefallen sei. Anschließend habe der Beschuldigte ihren Kopf mehrmals fest und schmerzhaft auf die Kühlerhaube heruntergedrückt.
Auch bei der folgenden Fahrt zur Polizeiwache sei sie malträtiert worden, gibt die zierliche Blondine an. „Er hat mich immer wieder als Schlampe beschimpft und auf dem Rücksitz meinen Kopf so zwischen meine Beine gedrückt, dass mir alles weh tat“, berichtet Yvonne B. Es sei nicht das erste Mal, dass dieser Beamte ihr drohend gegenüber getreten sei. „Aber ich habe auch eine Würde“, sagt sie. Deswegen sei sie der Aufforderung später auf der Wache Huckelriede nicht gefolgt, ihre Kleidung vor dem männlichen Polizeibeamten abzulegen – damit sie beim Zwangserbrechen nicht schmutzig würde.
Während Yvonne B. mehrmals erbrach – und später berichtet, dass Rauschgift sicher gestellt wurde – habe ein Beamter gesagt: „Wenn ein Tropfen auf den Boden fällt, wischen wir den mit dem Kopfhaar auf. Damit du Bescheid weißt.“ Eine Äußerung, die sich mit Schilderungen deckt, die schon andere Personen unabhängig voneinander gegenüber unserer Zeitung gemacht haben, nachdem sie zwangserbrechen mussten.
Noch laufen die Ermittlungen im Fall Yvonne B. Wieviele Ermittlungsverfahren vergangenes Jahr gegen Polizeibeamte eröffnet wurden, ist nicht bekannt. Im Jahr 2000 waren es 80. Im Jahr 1999 endete keines von 81 solcher Verfahren gegen Polizisten mit einer Verurteilung. ede
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