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Hair spekuliert auf Sondergeld

■ Die Dezembergehälter wurden zu spät ausgezahlt, der Vermieter weilte zu Gesprächen in Bremen. Gibt es nun doch Staats-Marketing fürs Musical?

Wie steht es um das Musical „Hair“ am Richtweg? Eine Frage, die die Gazetten der Stadt ebenso bewegt wie die Angestellten, die sicher auch nicht immer durchschauen, was Geschäftsleitung, Betreibergesellschaft und Politik ausbaldowern. In der Gerüchteküche werden jedenfalls mal wieder Schöpfkellen geschwungen und Messer gewetzt.

Nachdem laut Musical-Geschäftsführer René Meyer-Brede der Dezember „ein guter Monat“ gewesen sei, sind die nun folgenden Monate traditionell schlecht fürs Geschäft. Aus kundigen Kreisen verlautet, die Vorverkaufszahlen für Januar seien „katastrophal“, bis jetzt beliefe sich die Auslastung (ohne Abendkasse und weitere Vorverkäufe) auf 16 Prozent. Wegen erwartungsgemäß schwieriger Zeiten hatte Meyer-Brede daher angekündigt, dass die Belegschaft in einer konzertierten Aktion 10 bis 15 Prozent der Gehälter einsparen wolle. Aber das Problem ist offenkundig ein bißchen älter. Schon die Dezembergehälter wurden nach Informationen der taz eineinhalb Wochen zu spät ausgezahlt.

Gestern war außerdem Vermieter Michael Arend aus Frankfurt zu Gesprächen im Büro des Musical-Geschäftsführers. „Das ist nichts Besonderes“, sagt er dazu, „ich bin hier einmal die Woche“, und: „Die Immobilie ist schließlich nicht irgendwas, da gibt es immer was zu reden“. Über die Pünktlichkeit der Mietzahlungen zum Beispiel, wie auch über einen Nachlass in den schwierigen Monaten Denn die Festangestellten auf und hinter der Bühne wollen laut Betriebsrat nur dann auf einen Teil ihres Gehalts verzichten, wenn auch die Gesellschafter ihr Scherflein beitragen. Diese Woche, so Betriebsrat Oliver Martens, sollen weitere Gespräche stattfinden, um zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen.

Bis Ende März soll das Musical „mindestens“ laufen, verlautete Ende vergangenen Jahres aus der Chef-Etage. Warum ausgerechnet die für Musicals schwierigen Wintermonate noch drangehängt wurden, anstatt mit dem Weihnachtsgeschäft Schluss zu machen – dafür gibt es keine einleuchtende Erklärung. Stattdessen spekulieren die Betreiber nun auf Zuschüsse aus dem staatlichen Marketing-Topf.

Man habe – so Meyer-Brede kürzlich im Weser-Report – einen Antrag über rund 350.000 Euro gestellt „damit in Bremen und darüberhinaus kraftvoll Werbung gemacht werden kann“. In der Tat ist das Marketing-Säckel der Stadt, verwaltet vom Geschäftsführer der ,Bremen Marketing Gesellschaft' Klaus Sondergeld, prall gefüllt. Fünf Millionen Euro hatte die große Koalition Anfang November in diesen Topf geschaufelt, allerdings gerade um direkte Subventionen für „Hair“ zu vermeiden. Die Absicht von Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU), dem Musical erneut mit staatlichen Mitteln unter die Arme zu greifen, hatte zu einer Regierungskrise und einer Absage an jede weitere Subventionierung des eigentlich privat gemeinten Musicals geführt. Neben den Grünen, die ein Misstrauensvotum gegen Hattig initiierten, sperrte sich insbesondere die SPD gegen spezielle Musical-Werbung auf Staatskosten.

Ob es dabei bleibt, wird sich zeigen, wenn Mitte des Monats ein Beirat, dem unter anderem Jens Eckhoff (CDU), Jens Böhrnsen (SPD) und die Grüne Helga Trüpel angehören, über die Marketing-Millionen beratschlagt. Nach Klaus Sondergeld gehört das Musical „natürlich zu den touristischen Events von überregionaler Bedeutung“, für die der Topf da ist. Für Trüpel läuft es dennoch wieder auf eine schlecht versteckte Subventionierung hinaus. Nicht nur das widerspricht dem Geist des Standort-Marketing-Konzept. Auch dass, wie Meyer-Brede forderte, „in Bremen“ geworben werden solle, ist nicht im Sinne der Erfinder. Schließlich will man Auswärtige in die Stadt holen, damit sie hier essen, übernachten, Geld ausgeben und damit die Steuereinnahmen erhöhen. Eine Kampagne auf den Waggons der Bremer Straßenbahnen, wie sie als Werbe-Endspurt für das vorige Musical Jekyll & Hyde betrieben wurde, würde dagegen in erster Linie dem Musical-Betreiber nützen.

Elke Heyduck

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